Tocotronic – Nach der verlorenen Zeit
Noch sind die Begeisterungsstürme über das Debütalbum DIGITAL IST BESSER nicht verklungen, da legt Deutschlands derzeit rührigstes Trio schon wieder ein Werk nach. Zehn Songs und 25 Minuten lang entfaltet sich der geballte Charme der deutschsprachigen Retter der Romantik: In Titeln wie ‚Gottseidank haben wir beide uns gehabt‘ oder ‚Ich hab 23 Jahre‘ mit mir verbracht‘, vollbringt die Band mit dem Techno-Namen das Wunder, Themen wie Leidenschaft, Sehnsucht, Melancholie und Teenie-Gehader mit Liebe und Leben in deutschen Texten zu verpacken, bei denen man vergeblich nach Peinlichkeiten sucht. Dazu spannen die drei lungs mühelos den musikalischen Bogen von eingängigen Pop-Perlen über Rock-Balladen bis hin zu krachenden Grunge-Gitarren. Die Songs kommen direkt aus dem Bauch der deutschen Underground-Szene, schrecken nicht vor Selbstzweifeln zurück und schaffen es, fernab von Niedecken, Maffay und Co. eine gänzlich neu Ära deutsprachiger Musik einzuläuten einer Musik, die anspruchsvoll ist und trotzdem jede Menge Spaß macht. Mit dem Track „Ich bin neu in der Hamburger Schule‘ schließlich belegt die Band ihre Nähe zu ‚Mitschülern‘ wie Blumfeld, die Sterne oder die Flowerpornoes, äußert aber gleichzeitig leises Unbehagen über das Etikett. Keine Angst, lungs – wenn ihr wirklich zur Hamburger Schule gehört, dann ist euch demnächst das Amt als Klassensprecher sicher.