Traumhafte Amélie :: Liebeserklärung
Die Welt aus den Augen von Amelie vom Montmartre sehen zu dürfen, ist wahrhaft wunderbar, denn ihre Sicht der Dinge ist überschäumend, mitreißend und voller Farben, die man im eigenen Leben vermutlich niemals entdecken würde. Ein Kinotraum also ist es, den Jean-Pierre Jeunet in seinem ersten französischen Film ohne seinen Kollegen Caro (mit ihm drehte er DELICATESSEN und DIE STADT DER VERLORENEN KINDER) und seiner ersten Arbeit seit dem schwierigen ALIEN – DIE WIEDERAUFERSTEHUNG auf die Leinwand zaubert. Wieder ist die Fantasie die Grenze, aber verschwunden ist das Bedrohliche, das Monströse, das Bizarre, das die schrägen Winkel und wirren Kamerafahrten von Jeunets bisheriger Arbeit bislang zuweilen so grotesk erschienen ließ. AMELIE entwaffnet, weil darin Paris, dem Leben und der Liebe selbst die Liebe erklärt und gleichzeitig eine Kinoheldin (Audrey Tautou – die Entdeckung des Jahres!) erfunden wird, in die man sich so nachhaltig verliebt, dass man selbst nach den schier unzähligen Nebenhandlungen, kleinen Episödchen am Rand und Umwegen en masse mehr will. Als hätte die Ehe aus Nouvelle Vague und magischem Realismus ein Kind hervorgebracht, als hätte Truffaut sich eines Märchens angenommen, fabuliert sich der Film mit Lust und Wonne durch die Lebensgeschichte der kleinen Amelie und all der Menschen aus ihrer Nachbarschaft Da läge noch einer, rau es den Osterhasen nicht gibt. Amelie hat sogar ein Bild von ihm in Montmartre. Mit unendlichem Erfindungsreichtum erdenkt sie Pläne, um das Leben anderer glücklich zu machen, es mit Liebe und Hoffnung zu erfüllen. Rastlos ist sie in ihren Bemühungen, aber am großartigsten und kompliziertesten ist das Szenario, das sie sich erdenkt, um das Herz eines merkwürdigen jungen Mannes zu gewinnen, der alte Passfotos sammelt. Wie Jeunet all seine Bälle gleichzeitig jongliert und dazu noch Kunststücke durchführt, ist einfach atemberaubend. So traumhaft kann Kino sein.
Frankreich 2001, Regie: Jean-Pierre Jeunet, mit Audrey Tautou, Mathieu Kassovitz, Rufus
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