Travis: Dublin, Dublin Castle :: Britpop
Am 16. Januar 1922 war es soweit: Lord Fitzalan, der letzte britische Vizekönig in Irland, übergab seinen Amtssitz Dublin Castle an die provisorische Regierung des Freistaats: das Empire machte sich nach 800 Jahren Okkupation endlich vom Acker. Im Mai 2001 setzt sich der Kolonialismus im Schlosshof so fort: Der niederländische Getränkekonzern Heineken veranstaltet das „Green Energy“-Festival, schenkt massenweise Helles aus, und hat, es ist wirklich wahr, das Schloss zur Guinness-freien Enklave erklärt. Die Stimmung ist trotzdem blendend, wenngleich die Turin Brakes ein Vorprogramm mit Valium-Faktor absolvieren. Ein „Hauptsache-rockig“-Mixtape überbrückt die Umbaupause (Clash, Stones, ZZTop, etc.), und am Ende ätzen die Sex Pistols ihr „God Save The Queen„.
Dann steht unvermittelt ein Mann mit Charlie-Brown-Sweatshirt und einer an Punk angelehnten Sturmfrisur (blondierter Hahnenkamm) im Bühnenzentrum – das neue Styling von Fran Healy bietet bei Open-Air-Konzerten eine echte Orientierungshilfe für weiter hinten stehende Fans. „Sing“, der Opener von „The Invisible Band“, startet die Show („Start recording now“, ermuntert Fran die Bootleger) mit dezentem Western-Flair; Andy Dunlop spielt Banjo, Healy schrammelt zwölfsaitig. Dann gibt es ersten überwältigend emotionalen Moment des Abends. „Writing To Reach You“ wird von 9000 gut geölten Kehlen (thanks to Heineken) inbrünstig begleitet, bei „Driftwood“ halten Dutzende Fans ihre Mobiltelefone in den Abendhimmel und lassen Freunde draußen im Lande mithören. Das bekannte Material von „The Man Who“ spielen Travis rockig gehärtet (mit sporadischen Verzerrungen), am Ende von „Turn“ reckt Healy seine Stratocaster demonstrativ und Rockstar-like in die Höhe.
„Quite delicate“ nennt er hingegen das neue Stück „Dear Diary“, wunderbar filigranes Gitarrengezupfe in Zeitlupe. Das kuriosestes neue Stück im Set,“Flowers In The Window“, verschmilzt die Travis-typische Wohlfühlmusik mit Kleingärtner-Lyrik (einfach mal den Blumen beim Wachsen zuschauen!), und die obligatorische kuriose Zugabe kommt diesmal nicht von Britney („Baby One More Time“ wollen Travis nie mehr spielen), sondern von Bowie. „All The Young Dudes“, Travis goes Glamrock – die unsichtbare Band war in Dublin nicht nur für diese Überraschung gut.
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