Tricky – Vulnerable

„They used to call me Tricky Kid“, rappte Tricky mit seiner ächzenden Grabesstimme einmal, und das hat sich eingebrannt – sei es durch sein Engagement bei Massive Attack, sei es durch seine Soloprojekte, sei’s einfach nur sein markantes Kinderschreckgesicht. Die Ingredienzen seiner Musik blieben über all die Jahre gleich: HipHop-Beats mal in Superzeitlupe, mal gleich als Standbild, schmutzigweißes Rauschen, himmlische Frauenstimmen – und dazu das gutturale Krächzen des Meisters. Mit der wachsenden Perfektion seiner Alben wurde Tricky aber auch immer verschränkter, sein Klang ausgefranster, der Zugang zum Werk mit immer mehr akustischem Plunder verstellt. Die einen hingen ihrem Abgott an den Lippen, die anderen betrachteten ratlos ihre Fingernägel. Nun hat Tricky, bevor er endgültig in akademische Sphären abdriftet, alle Uhren nochmal auf null gestellt, Vulnerable ist sein zugänglichstes Album überhaupt, vom herrlich trockenen Abgesang auf erkaltete Gefühle („Stay“) bis zur extrem entspannten Cure-Coverversion „Love Cats“. Bündig, auf den Punkt, und doch immer wieder auf hypnotischen Beats weggleitend. Mit einer entspannten Präzision, die seine früheren Mitstreiter von Massive Attack schon lange verloren haben. Wie übrigens auch die künstlerische Freiheit – oder Waghalsigkeit, je nach Standpunkt -, Samples von Pink Floyd zu benutzen: das Riff von „Run Like Hell“ pluckert als friedliche Schleife in „Search And Survive“, später kommen noch die typisch seifigen Keyboards dazu. Der eigentliche Reiz aber beruht auf dem Konzept des „geteilten Gesangs“: die makellose Frauenstimme übernimmt stets den melodischen, erhebenden, tragenden Teil, während Tricky selbst das irre Alter Ego gibt, das tiefschwarze Gelüste ins Mikro flüstert. Oder hustet. Wer beide Stimmen als eine einzige hört, dem erschließt sich eine Art Meta-Duett, wie es im Pop kein zweites gibt. Und dann leuchtet auch ein, warum man ihn das Tricky Kid nannte, nennt und auch weiterhin nennen sollte. www.anti.com