Turin Brakes: München, Substanz :: Neo-Folkrock

Wer hatte gedacht, dass die Jungs vom Lagerfeuer noch mal die Hoffnungen für die Zukunft der Popmusik tragen würden? Aber in Zeiten stumpfen Wummer-Terrors durch die Crazy-Papa-Bizkit-Fraktion war langsam eine kleine Gegenwelle fällig, und sie kommt in Form von blutjungen Menschen, die allerorten akustische Gitarren aufs Knie nehmen, den leisen Ton und den Song wieder zu entdecken. „Quiet is the new loud“ möchte man dieses movement nennen, darf aber nicht, weil das billig ist, und – wie die Neo-Folkies alle glaubhaft versichern -ja überhaupt gar kein movement vorhanden ist.

„Quiet Is The New Loud“: So heißt das Album der Kings Of Convenience aus Norwegen, die heute vor den Turin Brakes spielen sollten, aber die mussten wegen eines Trauerfalls nach Hause fliegen.“Ihr müsst halt mit uns allein vorlieb nehmen“, sagt Olly Knights, dann wirft er seinem Freund Gale Paridjanian über die Schulter einen Blick zu – klick, man versteht sich ohne Worte – und sie fangen an, ihre Stahlsaiten zu schruppen. Die Jungs vom Lagerfeuer! Da sitzen sie, wie man sich das vorstellt, auf Barhockern, nur haben die beiden hier eine tighte Band (Bassist, Drummer und Orgler,die, quiet hin oder her, auch mal bratzig einherrocken) im Rücken und spielen nicht „Under The Bridge“ und „Cum Ba Ja h“, sondern die mit jedem Hören erstaunlicheren Songs von ihrem Debüt „The Optimist LP“.“Feeling Oblivion“,“Underdog (Save Me)“, „By TV Light“, das sich herrlich von einem Flüstern in emotionale Höhen steigernde „Future Boy“-man kommt aus dem Staunen gar nicht raus über so viel unaufdringliches Sentiment, melodische Raffinesse und makelloses Spiel.

Knights, mit Babyspeck im Gesicht, Meerschweinchenfrisur und meist geschlossenen Augen, singt mit gequältem, femininem Jeff Buckley-Tenor, Paridjanian liefert Harmonie-Gesang und exquisite Gitarren-Zupfereien. Das Münchener Publikum ist fast so schüchtern wie die Band, aber spätestens als zur Zugabe (groß: „Emergency 72“) Süßigkeiten ins Publikum fliegen, gibt es kein Halten mehr. Der nachhaltigste Zugaben-Applaus seit langer Zeit holt die Turin Brakes noch mal auf die Bühne zurück, sie spielen einen neuen Songjammen ein bisschen. Und Paridjanian latscht sogar auf ein WahWah-Pedal. Auch ein Folkie möchte halt mal ein bisschen Lärm machen.

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