Udo Lindenberg & das Panik Orchester – Panische Nächte
Die letzte Udo-LP, „Sister King Kong“ sah verdammt nach Sackgasse aus. Udo hatte seinen Slang derart überdreht, daß die Grenze zwischen originell und billig schon leicht ins Wanken geraten war. Nach dem Motto „Ich will die totale Provokation“ brachte er Sprüche die stellenweise ins Aus gingen. Aber mit der LP „Panische Nächte“ hat Udo die Kurve wohl wieder gekriegt. Die Themen auf der neuen Platte sind gut: Selbstmordkandidaten auf der Rennpiste, die enttäuschte Hausfrau und Mutter mit 40, die noch von James Dean träumt, „Schneewittchen“, das Mädchen mit der H-Nadei, „Teddi“, ein Song über das erste deutsche Rock V Roll-Idol Ted Herold, der sizilianische Werwolf, der das (Frauen-) Reisen nicht lassen kann, der ewige „Flipper“, der wegen tausend unerfüllter Träume sogar seine Traumfrau verläßt. Natürlich lebt jeder Song wieder von der typischen Lindenberg-Lyrik, die mir hier jedoch nicht so extrem auf den Wecker geht wie bei „Sister King Kong“. Vielleicht liegt es daran, daß Udo ausgesprochen menschliche Züge annimmt, wenn er Gefühle nicht mit schnoddrigem Slang zukleistert, sondern jetzt schon mal echte Empfindung durchschimmern läßt.
Vor lauter Inhalt sollte man natürlich nicht die musikalische Seite vergessen – die Gefahr liegt bei diesen Songs manchmal nahe. Exakte Studio-Fuchserei war hier wieder an der Tagesordnung. Darüberhinaus ist Udo mit seinen Arrangements manchmal ganz schön kommerziell geworden – mit poppigen Doppelspur-Refrains zum Beispiel. Daß er seine Stimmbänder wieder bis zum äußersten dehnt, versteht sich von selbst, außerdem hat er sich – rein freundschaftlich – Konkurrenz ins Studio geholt: den fast vergessenen Ted Herold, der ein paar Schluckauf-Töne von sich geben darf („Teddi“). Der größte Teil der Songs ist dramaturgisch stark in Szene gesetzt; es herrscht eine wohlorganisierte und wohlarrangierte Panik. Einzelne Musiker zu loben, wäre Unsinn, sie machen sich als Team ganz prima: Curt Cress (dr), Bertram Engel (dr), Dave King (b), Steffi Stephan (b), Paul Vincent (g), Thomas Kretschmer(g), Kristian Schultze (keyb), Jean-Jaques Kravetz (keyb).