Van der Graaf Generator – Godbluff / Still Life + Peter Hammill – Fools Mate
Was darf „Pop“-Musik leisten? Darf sie sich in Bereiche vorwagen, die andere (Literaten, Lyriker, Philosophen! besser beherrschen? Wir sagen ja, weil sich umgekehrt Literatur, Lyrik und Philosophie auf ein Niveau zurückziehen, auf dem mehrheitlich die Mittelmäßigkeit dominiert. Anders gesagt: Die Mehrheit der „Produkte“ in allen kulturellen Bereichen, Bücher, Platten, Filme, Theorien ist großer Mist, und so kann es nicht schaden, wenn ein Bereich wie die Popmusik, in dem die Mistguote besonders hoch sein soll, von ein bißchen Qualität aufgewertet wird. Wir sagen ja zu einer „Pop“-Musik, die über den reinen Unterhaltungsauftrag hinausgeht, wir sagen ja zu Van der Graaf Generator. Der zweite Teil der Wiederveröffentlichungen des Backkatalogs der britischen Art-Rock-Band kommt mit mehr (Fools Mate) oder weniger (die beiden VdGG-Alben) erhellenden Bonustracks.
Ab August 1972 war die Band für zweieinhalb Jahre Geschichte. Nach einer aufreibenden Italien-Tour löste sich VdGG auf, Bandchef Peler Hammill konzentrierte sich fortan auf seine Solokarierre. Dann im Januar 1975 trafen sich Hammill (voc, g, p), Hugh Banton (org, bg), David Jackson (sax, fl) und Guy Evans (dr), die während der Trennung als Band nie den Kontakt untereinander abbrachen, zu Rehearsals in einem Studio in Herefordshire, die zum Reunion-Album führten. Das Resultat von dreiwöchigen Aufnahmesessions im Juni des Jahres war kein zweites Pawn Hearts (1971 Nummen in Italien), Godbluff (6), das fünfte Album von Van der Graaf Generator, war in mehrerlei Hinsicht neu. Hammill wechselte nicht nur zur elektrischen Gitarre, was der Musik der Band eine ungewohnte Schärfe verlieh, sondern führte die introspektiven Texte, die seine Soloalben zu schmerzlichemotionalen Selbsterkundungen gemacht hatten, bei Van der Graaf Generator ein. Die vier Tracks von godbluff fielen in ihrer Struktur nicht weniger komplex aus als das Frühwerk der Band, aber bestachen durch eine ungeheuere musikalische Dichte und Direktheit, während artverwandte Bands wie Genesis (the lamb lies down on broadway) und Pink Floyd (wish you were here) zur selben Zeit zur Sicherheit ein paar Spuren mehr auf die Bandmaschine legten. „Scorched Earth“, einer der vier Songs des Albums, ist Prog-Punk zwei Jahre vor Punk.
Der Nachfolger Still Life (5) von 1976 war die musikalische Fortführung von Godbluff, was nicht zuletzt daran lag, daß mit „Pilgrims und La Rossa‘ zwei der fünf Songs aus den Sessions des Vorgängeralbums stammten. Als Texter stand Hammill damals im Zenit seines Schaffens. Die Worte, die die Songs umspannten, waren reinste Lyrik, die existenzphilosophische Fragen („Child like Faith In Childhood’s End“) aufwarfen, Unsterblichkeit als potentielle Antwort darauf gaben („Still Life“] und Einsamkeit und Verlust I..My Room [Waiting For Wonderland]“! thematisierten.
Wieso Peter Hammills erstes Soloalbum von 1971 in das zweite Paket mit den Van-der-Graaf-Generator-Wiederveröffentlichungen gepackt wurde, ist leicht zu erklären: Auf Fools Mate (4) wirkt die komplette Band plus Ex-Mitglied Nie Potter mit. Und manche der Songs aus den Jahren 1966 bis 1970 , die Hammill auf sein Solodebüt packte, fanden sich im Programm der frühen VdGG. Fools Mate ist ein Songwriteralbum, bei dem Piano und akustische Gitarre im Vordergrund stehen, der Artrockanteil dezent in den Hintergrund rückt. Das Erstaunlichste an Fols Mate aber ist die Reife, die Peter Hammill als Komponist und – vor allem – Texter bereits im Alter von 17 bis 22 Jahren besessen hat. Stücke wie „Solitude“, „Summer Song In The Autumn“ und „I Once Wrote Some Poems“ sind dunkelgraue, introspektive Klassiker britischer Songschreiberkunst und „Vision“ das vielleicht schönste Liebeslied, das jemals geschrieben wurde, Word Up: „Searching for diamonds in the sulphur mine, leaning on props that ore rotten, hoping for anything. looking for a sign that I am not forgotten. Lost in a labyrinth of future mystery, trocing my Steps, alt mistaken, trusting to everything, praying it can be, that I am not forsaken.“ Aus „My Room“ (Waiting For Wonderland).
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