Virna Lindt – Play/Record
Stell dir vor, du bist mit einer blonden Schwedin verabredet: Dein feuchter Traum heißt Virna, ist Literaturkritikerin und Talentscout in Sachen junge Autoren, sie sieht aus wie Catherine Deneuve, Barbara Bach und Mireille Darc auf einmal, und weil du entsetzlich aufgeregt bist, stehst du schon viel zu früh vor ihrer Tür. Trotzdem reagiert niemand auf dein Klingeln. Dafür ist die Tür nur angelehnt. Du stupst dagegen, rufst zaghaft „Hallo?“, schleichst dich rein … keiner da!
Auf dem Tisch liegt ein aufgeschlagenes Fotoalbum. Neugier ist immer noch besser als gar keine Gier —- du setzt dich aufs Sofa und fängst an zu blättern. Die Seiten sind liebevoll gestaltete Collagen aus hunderten kleiner Bilder: Virna als Mädchen, in der Klavierstunde, als kühle Blonde im Park, nachts mit Freunden in London, als Bogart verkleidet… Du versinkst in der Bilderflut, läßt dich von den Seiten aufsaugen — und als du ins Hier und Jetzt zurückfindest, fühlst du dich wie nach zwei Stunden Kino. „Tolle Frau“, denkst du und reibst dir die Augen. „Gut, daß sie nicht zu Hause war…“
Der Soundtrack zu dem Hirnfilm heißt PLAY/RECORD, Virna Lindts zweites Album. Nach dem Abtauchen von Cynthia Scott und Mari Wilson ist sie die letzte Grande Dame des nie um eine geschmackvolle Überraschung verlegenen Labels Compact.
Die Rolle steht ihr ausgezeichnet: Mit weniger Schirm, Charme und Melone als auf SHIVER und den frühen Singles, dafür gewohnt eigenwillig, legt die Schwedin 12 Klang-Mosaike, die man sich nachts und allein zu Gemüte führen sollte. Frau Lindt verhält sich zu ABBA wie Zappa zu Saga.
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