WIRE – 154

Wir erinnern uns: No Fun hatten sich Wire von anfang an auf ihre Fahnen geschrieben und wer diese Maxime aufgrund der Jungenhaftigkeit ihrer zweiten LP „Chairs Missing“ nicht so ganz für voll nehmen wollte, bekam live wie von zürnender Roboterhand den Beweis um die Ohren geschlagen. Wie fauchende Tiere erteilten sie ihre Lektionen ins Publikum hinunter, kettenrasselnd und unversöhnlich. Na gut, ich hab‘ sie ewig nicht mehr gesehen, vielleicht haben sie sich live wie eben auch auf Platten einem geschlosseneren Konzept untergeordnet.

Aus vergleichsweise leichten Songs wurden jetzt gewichtigere Stücke. Was früher ein eher zielloses Schnappen war, kanalisiert sich jetzt schon recht gezielt und mündet in düsteren, teilweise sogar unheilverheißenden Soundwänden. Erstaunlich, welche Vielfalt von Einflüssen dabei sichtbar werden: wieder sind es die metallischen Verfremdungen der frühen Roxy Music, die Vergangenheit von Pink Floyd wird gegenwärtig, ebenso die schicksalhafte Stimmung, die Jim Morrison bei den Doors heraufbeschwor; David Bowie klingt mit und das letzte Stück auf der Seite 2, „40 Versions“, zeigt für mein Empfinden deutliche Parallelen zu Can. Natürlich weiß ich, daß die Gruppe diese Art von Vergleichen als Schwachsinn betrachtet. Sie wird jedoch kaum abstreiten, daß ihre Musik suggestiver wurde, stark orientiert an dem, was wir mal als Underground bezeichneten mit einem Hauch von Psychedelik. Sie sind weniger an Musik als an kreativen Geräuschen interessiert und diesem Anspruch sind sie mit „154“ ein ganzes Stück näher gekommen.