Zurück in die Zukunft :: Die Platte des Monats

Was für eine gute Flasche Wein gilt, kann nur bedingt auf die Spezies der Rockmusiker übertragen werden. Die wenigsten werden mit zunehmendem Alter besser. Ausnahmen bestätigen die Regel. Bestes Beispiel: J. Mascis. Der Kopf der ewigen Untergrund-Band Dinosaur Jr. hat den Weg vom Hardcore-Helden bis hin zum Musiker mit Major-Deal unbeschadet überstanden.

Spätestens mit ihrem 88er Album BUG und der mächtigen Gitarren-Hymne „Freak Scene“ war Mascis und seinen Mannen – Lou Barlow am Bass und Murph an den Drums – ein Platz in der Walhalla der Indie-Szene sicher. Und das Jahre vor der Erfindung des Grunge. Nach dem unrühmlichen Ausscheiden Barlows und der zeitweiligen Absenz Murphs spielte Mascis 1990 GREEN MIND im Alleingang ein. Die erste Veröffentlichung bei einer großen Plattenfirma. Bei eben diesem Musikmulti erscheint auch die neue. WITHOUT A SOUND nahm der Multi-Instrumentalist in Minimalbesetzung auf. Neben ihm agiert jetzt nur noch der Bassist und Gitarrist Mike Johnson. Murph hat die Dinoshow endgültig verlassen was aber nicht weiter auffällt.

Mit einem kräftigen „Plopp“, mittels Flaschenöffner und Tonband gesampelt, eröffnet die Single „Feel The Pain“ das neue Album. Ein Song im Spannungsfeld zwischen anheimelnden Pop-Melodien und urgewaltigen Wah-Wah-Gitarren – und gleichzeitig Programm für die gesamte CD. Auch auf den übrigen Tracks beweist Mascis untrügliches Gespür für eine eigenwille Mischung aus Dramatik und Melodik. Der stets homogene Mix markiert nach dem stilistischen Querfeldein des 93er Albums WHERE YOU BEEN die Rückkehr zum rohen Sound der frühen Tage. Deshalb verfügt WITHOUT A SOUND auch über alle Inhaltsstoffe, die ein klassisches Rock-Album ausmachen: geschickt plazierte Breaks, splitternde Soli und Balladen von der morbiden Schönheit grauer November-Tage. Klar, auch Mascis aus Massachusetts hat den Gitarrenrock nicht erfunden – er setzt vor allem auf Bewährtes. Aber warum auch sollte der scheue Musiker aus den USA versuchen, einen neuen Sound zu kreieren? Das hat er bereits vor neun Jahren getan. Seither hebt sich jede seiner Platten wohltuend vom Gros der Neuerscheinungen ab.