Zweiter Frühling
KREATIV-POP BEWERTUNG: SIEHE TEXT THE BEACH BOYS
Sunflower/Surf s Up Carl & The Passions – SoTough/Holland In Concert
BROTHER/EMI ELECTROLA Die Aufbruchstimmung der Sechziger wich zum Ende der Dekade einem Faible für Nostalgie. Der Rock ’n‘ Roll der Fünfziger erlebte eine Renaissance. Selbst Vordenker wie die Beatles („Back In The USSR“, „Lady Madonna“) oder Jimi Hendrix (Johnny B. Coode“) beteiligten sich am Retro-Kult, und die Rockband-Persiflage Sha Na Na zählte zu den Abräumern des-Woodstock-Festivals. Auch die Beach Boys zog es nach den phantasievollen Studioexperimenten PET SOUNDS und SMILEY SMILE zurück in die rustikale R ’n‘ R-Welt. Astrale Mini-Symphonien mit den abstrusen lyrischen Inhalten von Van Dyke Parks im nicht veröffentlichten „Smile“-Zyklus schienen gänzlich out zu sein.Traumatisiert durch zuviel LSD, erlebte Bandgenius Brian Wilson die Welt vornehmlich vom eigenen Bett aus, steuerte aber dennoch kontinuierlich geniale Kabinettstückchen bei. Das Ruder übernahm inzwischen Cousin Mike Love, der mit der Durchhalte-Hymne „Do It Again“ ironisch die eigene Band-Vergangenheit aufarbeitete. Schicksalsschläge wie der Prozess mit dem Plattenlabel Capitol um unbezahlte Tantiemen in Millionenhöhe.die von Vater Murray Wilson für ein Appel und ein Ei veräußerten Verlagsrechte Brians, Dennis‘ Umgang mit der Manson-Cang sowie seine Affäre mit Loves Ehefrau ließen um 1969/70 dunkle Wolken über den Strandjungs aufziehen. Unter diesen Vorzeichen fanden die Beach Boys dennoch Zeit und Muße, kreativ hochwertige Alben zu produzieren. Vier dieser Werke plus ein Live-Mittschnitt erscheinen jetzt in digital optimal aufgefrischter Form. Die Premiere beim neuen Vertragspartner Reprise erfolgte im November 1970 mit dem ursprünglich „Add SomeMusicTo YourDay“ betitelten SUNFLOWER ***. Zum Start musste das schon 1967 aus der Taufe gehobene Beach Boyseigene „Brother“-Labei einen Tiefschlag einstecken: Den Albumtitel und einige Songs lehnte der neue Vertriebspartner ab. Mit derTrilogie „All I Wanna Do“,“Forever“ und „Our Sweet Love“ präsentierten sich der stimmlich omnipräsente Carl Wilson und seine Kollegen alles andere als müde. Dennis, das athletische Sex-Drugs-&-Rock ’n’Roll-Monster, schäumte in „Got To KnowTheWoman“ über vor Hedonismus. „It’s AboutTime“ ist ein klasse Up-Tempo-Stück und mit „Cool, Cool Water“ bekommt man gar ein neueingespieltes Outtake aus PET SOUNDS präsentiert. Auf dem gleichen Silberling findet sich auch der wunderbar die Psychedelic-Ära karikierende ’71er Nachfolger SURF’S UP 5 *. Einmal mehr übernahm Carl die Führung anstelle des nur indirekt beteiligten Brian. Kernstück ist der als Mini-Suite verpackte Titelsong, ein unveröffentlichtes Rudiment aus den „Smile“-Sessions. Weitere brillante Stücke finden sich mit Bruce Johnstons Bacharach-Hommage „Disney Girls (1957)“, Mike Loves „Student Demonstration Time“, eine konservative soziopolitische Aufbereitung des alten Leiber & Stoller R ’n‘ B-Reißers „Riot In Cell Block #9″ sowie,,’Til I Die“, ein geniales Opus von Brian. Relativ wenig Beachtung fand das im Juni 1972 veröffentlichte CARL & THE PASSI-ONS – SO TOUGH 2. Sicherlich zu Recht, da sich bis auf Brians „Marcella“, eine nette Erinnerung an eine Masseuse, die ihm in dieser Zeit wöchentlich den Freitagabend versüsste, sowie „He Come Down“ hier nur wenig ansprechendes Material findet. Parallel zum Karrierezwischentief stieg Bruce Johnston aus und Dennis Wilson auf den Gesang um. Als Ersatz holte sich der Bandrumpf die beiden Südafrikaner Blondie Chaplin und Ricky Fataar (später in der Beatles-Parodie „The Rutles“ in der Rolle von George Harrison zu sehen). Die Neuen sorgten mit dem in Baambrugge, Niederlande, produzierten Album HOLLAND 5 für frischen Wind. Klasse Songs sprudelten wie Ölquellen in Saudi-Arabien. Das Album enthielt als Promo-Gag eine beigelegte EP mit Brians eigentümlicher „Mount Vernon And Fairway“-Suite. Herzstück der Platte ist aber die von Mike Love und AI Jardine komponierte dreiteilige „California Saga“. Stilistisch lässt sich das ’73er Werk mit der Beschreibung „The Band Meets Psychedelia“ auf einen Nenner bringen.
Der durchschnittliche, vornehmlich mit Beach Boys-Klassikern der frühen und mittleren Periode bestückte US-Konzertmitschnitt IN CONCERT 3 1972/73 wäre eigentlich nicht der Rede wert. Doch steht der Doppeldecker symbolisch für das Ende einer durch Unschuld, Abenteuer und kreativen Reichtum gekennzeichneten Ära. Nach 1974 konvertierten die Beach Boys zum Mainstream. Als Band waren sie zwar noch lange nicht am Ende, doch lag ihr Status als Pop-Innovatoren in den letzten Zügen.
www.brianwilfon.com -» www.hollywoodandvine.com/bcachboys
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