Screamin‘ Jay Hawkins


Anzug mit glänzender schwarzer Weste, blütenweißes Hemd, Umhang, Totenkopf, Säbel, Voodoo-Utensilien: So stellt man sich den Teufel, Baujahr ’53, vor. Screaming Jay Hawkins sieht wirklich so aus, wie er seinerzeit die polierte Show-Oberfläche des Rhythm & Blues optisch gegen den Strich bürstete, mit heidnischem Gebaren und sexuellem Glucksen in der Stimme.

Screaming Jay Hawkins lebt immer noch und ist mit 58 Jahren erstaunlich agil. Sichtlich erfreut über seine sprunghaft gestiegene Popularität seit der musikalischen Gastrolle („I Put A Spell On You“) in Jarmuschs Kult-Film „Stranger Than Paradise“, gab’s für ihn an diesem Abend in der Hamburger Fabrik keine Sekunde Zurückhaltung — die Menge (ausverkauft!) jubelte, und sie bekam, was verlangt wurde. Älter schien Hawkins nicht geworden zu sein, doch vielleicht lag der Eindruck auch an der behutsamen Pflege seines Haupthaares: Ein einziger Spot auf die sorgfältigst ondulierte und geölte Mähne hätte genügt, um die gesamte Bühne zu illuminieren.

Dortselbst spielte sich dann wenig optische Show ab, sondern sehr viel musikalischer Drive, den Hawkins aus verschiedensten Quellen bezog. New Orleans-Junkanoo-Music. Blues, Pop Jazz, es war bunt und angenehm stillos und Routine von der Sorte, die man bei 52 Tournee-Wochen pro Jahr gewinnt.

Beruhigend, denn auf diese Weise konnte dem souveränen Show-Monster Hawkins auch die lahme Begleitcombo nichts von seinem Temperament rauben. Einzig der (schwarze) Saxophonist wirkte mit seinem verzweifelt schrägen Spiel schon wieder exotisch im Gegensatz zur (weißen) Rhythmus-Gruppe.

Screaming Jay Hawkins, der mit seiner eher umfangarmen Stimme auch opernhaftes Knödeln nicht scheut, verströmte jedenfalls so viel Selbstbewußtsein und Persönlichkeit, daß alles andere kaum auffiel. „Go, go, go!!“ peitschte er seine Band immer wieder voran, ständig voll da, zum Bersten konzentriert, ein Vulkan, der ohne Unterlaß seine musikalische Lava ins Publikum spuckte.

Seine Version von „Stand Bv Me“ ließ sowohl Ben E. King als auch Willy De Vilk hinter sich. Und als dann endlich „I Put A Spell On You“ kam, wurde es wirklich der erwartete Höhepunkt — Screaming Jay Hawkins hatte abgeliefert und alle geschafft. Er selbst lächelte nur, und sein letzter Schrei war so markerschütternd wie der erste.