Meinung

„Sherlock“: Ein bisschen Sexismus in der Story-Sackgasse


Unser Autor ist genervt von „Sherlock“. Die Serie behandelt Frauen wie Requisiten und tritt seit Jahren auf der Stelle. Vorsicht: Spoiler.

Zu Beginn des Jahres startete die BBC mit der Ausstrahlung der vierten Staffel der Serie „Sherlock“. Benedict Cumberbatch und Martin Freeman sind als Sherlock Holmes und Watson zurück und lösen drei weitere knifflige Fälle. Obwohl. Eigentlich löst nur Sherlock die Fälle, was mittlerweile zum ernsten Problem wird. Zwei der drei neuen Episoden wurden bis jetzt gesendet, „The Six Thatchers“ und „The Lying Detective“ heißen sie. Am 15. Januar strahlt die BBC dann „The Final Problem“ aus. Doch leider ist der Serie auf dem Weg zum großen Finale die Luft ausgegangen.

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Die Kameraeinstellungen, der rasante Schnitt, die Einblendung von Textnachrichten und Gedanken: Den visuellen Stil hat die Serie auch in Staffel Vier noch beibehalten. Zum Glück: Denn narrativ drehen sich die Autoren Steven Moffat und Mark Gatiss scheinbar nur noch im Kreis. Am Ende der zweiten Episode der aktuellen Staffel wurde mit der Schwester des Titelhelden zwar eine neue Superschurkin eingeführt. Allerdings ist dieser Twist nicht weniger als ein Armutszeugnis auf mehreren Ebenen.

Denn mit was wurden die Zuschauer auf die neuen Episoden heiß gemacht? Mit einer (digitalen) Rückkehr des Erzfeindes Professor Moriarty. Zwar würde seine Auferstehung kaum zu erklären sein, doch sie genauso wenig aufzulösen wie Holmes‘ vermeintlichen Tod am Ende der zweiten Staffel ist bestenfalls unbefriedigend. Am Ende ist es mal wieder eine Ex-Machina-Lösung (die Schwester, gespielt von Siân Brooke), mit der die Autoren den Spannungsbogen auflösen.

Starke Frauen werden einfach weggeworfen

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Frauen sind generell ein Problem der Serie geworden. Zwar tauchen immer mal wieder interessante weibliche Figuren auf, die Rücksichtslosigkeit, mit der sie dann aber wieder aus dem Weg geschafft werden, wirkt extrem ungeschickt. Amanda Abbington durfte Mary Watson nur solange spielen, bis sie zu viel Gewicht in der Serie bekam, zum potenziellen neuen Fanliebling wurde. Der Konsequenz: In der ersten Folge der vierten Staffel musste sie sterben. Und dann auch noch dadurch, dass sie Sherlock das Leben rettet – der Detective, dessen Wesen, dessen kompletter Charakter sich in mehr als drei Staffeln kaum merklich verändert hat, kann also wieder allein im Mittelpunkt stehen.

Ein weiterer Beweis für die Missachtung von einprägsamen Frauen ist ausgerechnet das Auftauchen von Sherlocks Schwester. In einem großen Twist der Marke „Jetzt ist es eigentlich auch egal, was passiert“ offenbart sie sich Watson als verschollene Holmes. Vorher war sie sowohl in einer langen Date-Sequenz als auch als Psychiaterin für Watson zu sehen. Der Twist konnte nur funktionieren, weil sie in ihrer Tarnung dermaßen uninteressant inszeniert war. Auch wenn dies Absicht war – es sagt doch tatsächlich viel über die weiblichen Nebenfiguren in der Serie aus. Zumeist wirken sie nur wie Requisiten, die sich die Autoren bei Gelegenheit greifen – und die dann wieder weggeworfen werden. Es bleibt ein leicht sexistischer Beigeschmack.

In „Sherlock“ darf es nur Sherlock geben. Das liegt beim Titel ja auch nahe, allerdings entwickelt eine gute Serie auf lange Sicht spannende neue Charaktere. Oder eben ihren Hauptcharakter. In „Sherlock“ bleibt dieser aber auf der Stelle stehen. Holmes ist immer noch genial, weiß alles und ist ein Arsch. Und natürlich: Wenn er in einer Notsituation ist und gerettet werden muss, dann hat dies natürlich auch alles zu seinem Plan gehört.

Stillstand seit vielen Stunden

In „The Lying Detective“, der jüngsten Folge, wurde dieses Prinzip maximal frustrierend auf die Spitze getrieben: Holmes liegt im Sterben, weil er sich – das erfahren wir danach – bewusst in Gefahr begeben hat. Eigentlich hat er den Schurken Culverton Smith schon längst überführen können. Aber Watson sollte ihn retten, es sollte aussehen, als hätte die zweitwichtigste Figur der Serie tatsächlich Gewalt über das eigene Leben. Der Clou, den wohl nur noch blinde „Sherlock“-Gefolgschaft feiern kann: Watson hat überhaupt keine Gewalt mehr über sein Leben. Jede seiner Entscheidungen, Sherlock kontrolliert sie. In diesem Fall zwar im Auftrag der verstorbenen Mary, es ändert aber nichts am Ergebnis und seiner Bedeutung.

Am Ende läuft eben alles auf die Ausgangssituation hinaus: Sherlock spielt Schach mit allen Figuren, deren eigenständige Entscheidungen sich am Ende einer jeden Folge als Behauptung entpuppen. In der letzten Episode der vierten Staffel hat die Serie noch einmal die Chance, die Zuschauer zu überraschen. Nicht mit einer wilden Auflösung eines Kriminalfalls, sondern damit, dass die Zeichnung der Hauptfigur vielleicht einmal eine andere Farbnuance bekommt. Und der Stillstand, der seit vielen Stunden „Sherlock“ anhält, endlich aufhört. Wenn es nicht geschieht, dann soll eben die ganze Serie enden. Benedict Cumberbatch hat dies ja bereits angekündigt.