Meinung

„Sherlock“-Staffelfinale: Sind wir hier jetzt endlich fertig?


Für einen Krimi zu absurd, für ein Drama zu fixiert auf nur eine Figur. „Sherlock“ ist nach vier Staffeln inhaltlich am Ende. Vorsicht: Spoiler!

Wenn eine neue Staffel „Sherlock“ erscheint, rauscht sie quasi vorbei und hinterlässt Jahre des Wartens. Drei Episoden werden in kurzen Abständen von der BBC ausgestrahlt (und in Deutschland auf Amazon angeboten), dann beginnt in Fankreisen das wilde Spekulieren über die Auflösung des großen Cliffhangers am Ende einer jeden Staffel. Doch nach der am Sonntag beendeten, vierten Staffel kann man sich diese Spekulationen sparen. Zum einen, weil es keinen Cliffhanger gibt und selbst die Serienschöpfer noch nicht genau sagen können, ob und wie es mit „Sherlock“ weitergeht. Zum anderen, weil „The Final Problem“, die bisher letzte Folge, dem Zuschauer endgültig die Lust an der Serie vergehen lässt.

Nach den ersten zwei Folgen der vierten Staffel beschwerten wir uns an dieser Stelle noch über die scheinbare Misogynie, mit der die Autoren Steven Moffat und Mark Gatiss die weiblichen Figuren schreiben. Mary Watson (Amanda Abbington) wurde zum Fanliebling und dann ziemlich lieblos aus der Handlung geschossen. Dazu tauchte Sherlocks Schwester Eurus Holmes als Kaninchen aus dem Hut auf, obwohl man sie bereits mehrfach gesehen hat. Die Macher demonstrierten mit diesem Twist selbst, wie flüchtig und austauschbar die weiblichen Nebenfiguren sind.

„Vergiss die Heulsuse“

„Sherlock“: Ein bisschen Sexismus in der Story-Sackgasse
In „The Final Problem“ wird dieses Prinzip noch auf die Spitze getrieben: Molly Hooper (Loo Brealey), die irgendwann in der Serie mal so etwas wie einen Charakter hatte, wird in einer Notsituation von Sherlock (Benedict Cumberbatch) angerufen und muss ihm ihre Liebe gestehen. Sie weiß nicht, dass es um Leben und Tod geht. Ihre Gefühle dienen nur dem Plot, der sich natürlich wieder ausschließlich um den Titelhelden dreht. Zwar war die Szene dramatisch, der gekränkten und gedemütigten Molly widmet die Serie danach allerdings keine Minute mehr. „Scheiß auf die Heulsuse, wir haben schließlich einen männlichen Helden zu feiern, der seine zerstörte Wohnung neu einrichtet.“

Der vorläufige Endgegner der Serie, das kriminelle Genie, das (natürlich) Sherlocks Schwester ist, sorgt zwar tatsächlich in einem an „Saw“ angelehnten Fall für viel Spannung. In der großen Auflösung enttäuschen aber die Motive von Eurus Holmes. Ihr Bruder Mycroft ließ sie inhaftieren, weil sie mit ihrem anderen Bruder Sherlock spielen wollte – aber nicht mitmachen durfte und deshalb einen für die Serie unnötig grausamen Mord an einem kleinen Jungen beging.

Wäre Watson nicht da, es wäre egal

Das alles hätte in der Dreierkonstellation der Holmes-Geschwister tatsächlich sehr emotional werden können, wenn sich eben nicht schon wieder nicht alles um Sherlock gedreht hätte. Eurus wird zur Mörderin, zur Psychopathin, zur Endgegnerin. Und alles, weil Sherlock Holmes ihr als Kind nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt hat. Hätten sich alle Beteiligten auf der entlegenen Insel, auf der „The Final Problem“ spielt, gegenseitig umgebracht, dem Rest der Welt hätte es egal sein können.

Die BBC-Serie hat ihr narratives Limit erreicht, die nun gesendeten 90 Minuten sind im Ablauf nicht weit entfernt von „Das große Spiel“, dem Finale der allerersten Staffel. „The Final Problem“ fühlt sich wie ein brutales Best Of an, das zwar nervenaufreibende Szenen beinhaltet, allerdings mit weit hergeholten Twists und Motivationen sowie unerklärlichen Plot-Löchern alles wieder einreißt.

Die Erkenntnisse nach der vierten Staffel der ehemals vielversprechendsten Serie Europas: Ihren Zenit hat sie bereits vor zwei Jahren überschritten. Für einen richtig guten Krimi sind die „Sherlock“-Fälle zu weit hergeholt, zu absurd. Für Drama dreht sich die Serie zu sehr um ihren Hauptcharakter. Wäre Watson (Martin Freeman) in der aktuellen Staffel in keiner einzigen Szene aufgetaucht, kaum eine Szene wäre anders verlaufen. Steven Moffat und Mark Gatiss haben ihr Serien-Meisterwerk „Sherlock“ inhaltlich komplett auf ihren Titel reduziert. Und es damit uninteressant gemacht.

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