Konzertbericht

The Smashing Pumpkins live in Berlin: Rehabilitation durch Rockmusik


Erst cheesy, dann ganz geil und versöhnlich: Die Smashing Pumpkins spielen in Berlin und 2019 live so gut und solide auf wie lange nicht mehr – ganz die alten werden sie wohl trotzdem nicht mehr wieder werden.

Dass The Smashing Pumpkins noch immer echte Mucker sind und Corgan ihr uneingeschränkter Boss ist, wird in der ausverkauften Zitadelle Spandau in Berlin am Mittwochabend schon um 19:50 Uhr klar: Es dauert keine zwei Minuten, da haut der glatzköpfige Hüne im Opener „Siva“ das erste Gitarrensolo raus. James Iha, Gründungsgitarrist der legendären 90s-Rockband, seit 2018 wieder mit an Bord und Grund dafür, dass die aktuelle Tour der Smashing Pumpkins als Reuniontour verkauft wurde, obwohl Corgan seine Band nie auflöste, sondern mit diversen Musikern am Leben hielt, steht halb hinter ihm – und applaudiert. Iha ist es dafür auch, der in den kommenden zwei immer besser werdenden Stunden die meisten der kargen Ansagen machen wird, während Corgan sich in der Rolle des Rockstars gefällt, der er seit 20 Jahren eigentlich nur noch bedingt ist.

„Zero“ (1995) ist der erste Hit des Abends, die aktuelle Einschlaf-Single „Knights Of Malta“ ihres Albums SHINY AND OH SO BRIGHT, VOL. 1 sein erster Tiefpunkt: Forderten die Pumpkins bei „Solara“ das Ü-30-Publikum bereits zu Handclaps auf, versucht sich Corgan ohne Gitarre als Performer, ruft „Sing it!“, schmeißt seine Hände hoch und sieht dabei aus wie ein Baum, den es gleich aus seinen Wurzeln reißt. Oder wie ein Wrestler, der noch an seinen Einlauf-Moves arbeitet. Awkward. Die seichte Poprocknummer selbst könnte auch von den Stereophonics sein, immerhin hört man hier zum ersten Mal Katie Cole an Keyboard und Backgroundgesang heraus.

Sind wir hier bei Coldplay? Nein, sind wir nicht

Es folgen weitere „Sind wir hier bei Coldplay?“-Ansagen wie „Come on, come on, come on, do you feel it?“ und „Berlin, do you feel it?“. Leider fühlte man bis dahin noch herzlich wenig, selbst der Tearjerker „Disarm“ bleibt steril, weil Pauken, Streicher und Glocken vom Band kommen, quasi Viertelplayback. Nett, aber egal: Wie auf Knopfdruck schiebt Iha wie schon öfter auf der laufenden Tour sein Akustikcover von The Cures „Friday I’m In Love“ nach.

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Erst beim Collegeradiohit „1979“ dreht sich die Stimmung von wohlwollendem Beobachten hin zu wirklicher Ausgelassenheit: Die Sonne geht nach einem 33 Grad Celsius heißen Tag langsam unter, der erste Crowdsurfer taucht auf, Corgan hat mittlerweile sogar dreimal kurz gelacht. „Look at all the beautiful people here tonight“, ruft er seiner sechsköpfigen Liveband während „Ava Adore“ zu, mit dem Shoegaze-Kracher „Cherub Rock“ und der übermächtigen Bombastballade „Tonight, Tonight“ haben sie ihr Publikum endgültig gekriegt. Der Durchatmer „To Sheila“ ist ein weiterer kleiner Höhepunkt, auch oder wahlweise obwohl er in ein Pink-Floyd-Cover von „Wish You Were Here“ mündet.

Retrospektive: Die Alben der Smashing Pumpkins im Überblick

Nach „Today“, dem fantastischen Fan-Liebling „Muzzle“ als Zugabe und einer pünktlich um 22 Uhr endenden Show bleibt der Eindruck: Das Comeback, als das diese Tour und das neue Pumpkins-Album beworben wurden, war es nicht. Fans wachsen trotz der zwischenzeitlichen Popstargesten des Exzentrikers aus Chicago wohl auch keine nach. Rehabilitiert hat Corgan sich und seine Band (mit Chamberlin als Batterie-Bollwerk an den Drums, Jeff Schroeder an der dritten Gitarre und Live-Bassist Jack Bates als Ersatz der immer noch abwesenden D’Arcy Wretzky) nach deutlich mediokereren Konzerten in den vergangenen 15 Jahren dennoch. Und gerät am Ende sogar doch ins Plaudern: „2002 I seriously thought about moving to Berlin. I didn’t. It was a mistake!“

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The Smashing Pumpkins live in Berlin am 5. Juni 2019 – die Setlist:

  • „Siva“
  • „Rhinoceros“
  • „Zero“
  • „Solara“
  • „Knights Of Malta“
  • „Eye“
  • „Bullet Wit Butterfly Wings“
  • „Tiberius“
  • „Glow“
  • „Disarm“
  • „Friday I’m In Love“ (The-Cure-Cover von James Iha)
  • „Superchrist“
  • „The Everlasting Gaze“
  • „Ava Adore“
  • „1979“
  • „Cherub Rock“
  • „Tonight, Tonight“
  • „The Aeroplane Flies High“
  • „To Sheila“
  • „Wish You Were Here“ (Pink-Floyd-Cover“
  • „Alienation“
  • „Today“

Zugabe:

  • „Muzzle“

The Smashing Pumpkins live in Berlin am 5. Juni 2019 – Videos:

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