Smudo: Wir sind musikalisches Importland


Die deutsche Rapszene unterscheidet sich naturgemäß grundlegend von der amerikanischen. ME/Sounds sprach mit Smudo von den Fantastischen 4 über Gangstas, Gangs und Ghettos.

Am Anfang eurer Karriere habt ihr in jedem Interview betont, daß Rap aus Deutschland anders sein muß, weil wir hier kein Ghetto-Leben wie in den USA kennen…

Das stimmt, und heute ist es nicht anders. Vielleicht wird es bei sinkendem sozialen Niveau auch in Deutschland mal soweit sein, doch grundsätzlich ist der Unterschied von uns zu den Vereinigten Staaten zu groß. Wir sind immer musikalisches Importland gewesen. Zudem wird die Musik von Schwarzen gemacht. Wenn Michael Jackson eine Platinplatte verliehen wird oder Mike Tyson aus dem Knast kommt, sind das immer kleine Errungenschaften der Black Community, die drüben viel Bedeutung hat. Rap war und ist neben aller Geschäftemacherei zuallererst eine Auflehnung gegen das weiße Establishment. Diese Attitüde ist nicht kompatibel.

Du bist mit Thomas 1988 über drei Monate in den USA unterwegs gewesen. Was habt ihr dort über die Rap-Kultur und das Gangsta-Tum für Eindrücke gewonnen?

Es ist sehr merkwürdig, in den USA zu leben. Man erwartet durch den berühmten Melting Pot-Effekt eigentlich viel Verständnis und Verständigung innerhalb der Gruppen. Doch anstatt sich zu vertragen und das beste aus dem kulturellen Mix zu machen, braten die meisten im eigenen Sud. Wenn du dich an der Uni einträgst, steht auf dem Fragebogen der Punkt „Race“! Wen interessiert das? So überwindet niemand Rassismus. Von solchen Erfahrungen ist die USA durchsetzt und ein Zusammenwachsen ist schwer möglich. Dann kommt natürlich noch dazu, daß Gangs wie ‚Crips‘ und ‚Bloods‘ nicht nur auf der Straße, sondern auch im Showbusiness das Sagen haben. Ich bin davon überzeugt, daß eine Menge Drogengelder im Musikgeschäft gewaschen werden. Rivalitäten beim Geidverdienen bleiben dann ebensowenig aus wie die Gewalt. Der Stärkere gewinnt. Diesem Machtspiel ist auch 2Pac zum Opfer gefallen.

Werdet ihr bei eurem Label ‚Four Music‘ ähnliche Praktiken anwenden?

Natürlich nicht! Zum einen sind wir zu bodenständig und zum anderen leben wir in Deutschland. Musik steht in Deutschland unter dem Stern der Kunst. Da gibt es keine Community, sondern Songs werden wie Bilder aus der Ferne betrachtet. Labelkriege wird es bei uns in der Form wie drüben auch nicht geben.

Zu Beginn des Gesprächs hast du nicht ausgeschlossen, daß wir bei stark verändertem sozialen Gefüge Zustände wie in den USA bekommen könnten?

Das dauert sicher noch, doch Musik ist ein gutes Ventil, um seinen Dampf abzulassen. In Berlin gibt es das HipHop-Mobil. Dort betreut ein HipHop-Fan lugendliche, die auf der Straße abhängen. Er spielt ihnen Musik vor, und sie improvisieren dann gemeinsam. Diese Art des Streetworkings wird in Amerika im Grunde schon lange betrieben. Nur sitzen am Steuer dieser HipHop-Mobile Talentscouts, die talentierte Kids von der Straße/ ins nächste Studio bringen und zu Dollarmillionären machen können.