Kritik

„Star Trek: Picard“ aus Sicht eines Nicht-Trekkies: Serien-Bruchlandung statt Aufbruch in neue Welten


Viele nostalgische Querverweise und komplizierte Referenzen lähmen eine überschaubare Handlung – dabei hätte „Star Trek: Picard“ das Potenzial mit echtem Mehrwehrt auf gesellschaftliche Herausforderungen zu blicken. Aus Sicht eines bekennenden Nicht-Trekkies ist die Serie vor allem eine Aneinanderreihung verpasster Chancen.

„Star Trek: Picard“ startete im Januar 2020 bei Amazon Prime Video. Die Vorfreude war immens, bei Trekkies schneidet die Serie mit ihren wöchentlich erscheinenden Episoden bereits sehr gut ab. Aber wie geht es eigentlich den Seriengucker*innen, die nicht Fans erster Stunde sind und sich das Wissen drum herum erst erarbeiten müssen? Eines gleich vorweg: Es ist gar nicht mal so einfach und toll, wie alle glauben!

Zum Inhalt: Bei „Star Trek: Picard“ handelt es sich um den neuesten Serien-Zuwachs im gleichnamigen Sci-Fi-Universum um den titelgebenden Jean-Luc Picard (Patrick Stewart). Vierzehn Jahre nach seinem Rücktritt als hochdekorierter Admiral der Sternenflotte hat sich dieser auf das familieneigene Château zurückgezogen. Auf dem malerischen Anwesen, inmitten des eigenen Weinanbaugebiets gelegen, könnte das Leben so einfach und friedlich sein. Doch der mittlerweile über 90-jährige Picard ist ein Getriebener. Nicht nur traumatische Erinnerungen an eine bis heute umstrittene Rettungsmission von Romulanern trüben das Idyll. Auch aktuelle Vorgänge innerhalb der eigentlich auf Frieden, Prosperität und Verständigung geeichten Sternenflotte erschüttern sein humanistisches Weltbild.

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Schließlich reißt ihn die junge Dahj (Isa Briones), wahrscheinlich eine menschenähnliche Androidin mit einer rätselhaften Verbindung zu Picards altem Freund Data (Brent Spiner), aus der Lethargie. Eine neuartige Androiden-Generation scheint in Arbeit zu sein, obwohl die Erschaffung künstlichen Lebens seit einem Amoklauf auf dem Mars verboten ist. Nach Dahjs brutaler Ermordung beschließt Picard der Wahrheit auf den Grund zu gehen und stellt dafür schließlich eine neue Crew zusammen.

Einfacher Plot, komplizierte Regeln und nostalgische Referenzen

Zugegeben: Knapp zusammengefasst klingt der Plot von „Star Trek: Picard“ soweit klar verständlich und übersichtlich. Was die Zuschauer*innen präsentiert bekommen, sieht allerdings anders aus. Von der ersten Minute an verstrickt sich die Serie in einer Vielzahl aus Referenzen und Regeln des eigenen Universums. So stellt sich stets das seltsame Gefühl ein, es passiere gleichsam „zu viel“ und „zu wenig“ – denn unter einer Schicht aus lähmenden Querverweisen und immerzu neuen Begriffen, kommt eine überschaubare Handlung nur äußerst schleppend voran. Dabei setzen die Folgen in ihrer Erzählweise nicht nur enormes Fachwissen voraus, was Star-Trek-Newbies den Einstieg bedeutend erschwert. Zuspruch und Begeisterung scheint sie darüber hinaus ausschließlich über nostalgische Gefühle, ausgelöst durch Cameo-Auftritte und Berufung auf Altbekanntes, hervorrufen zu wollen. Mit dem nüchternen Blick eines Nicht-Trekkies betrachtet, ist das, was neben rückwärtsgewandter Seh(n)sucht bleibt, ein recht einfaches und vor allem vorhersehbares Serienszenario.

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Durch den heldenhaften Picard wird die Serie vorhersehbar

Umso berechenbarer wird das Geschehen durch die flach anmutende Charakterzeichnung Jean-Luc Picards, der zur makellosen Führerfigur stilisiert und damit auf absolute Perfektion reduziert wird: Nebst umfassender Bildung zeichnet ihn seine Bescheidenheit aus, stets wirkt er nachdenklich und natürlich bringt er seinen Mitmenschen (und anderen Wesen) ausschließlich Empathie entgegen. Da bleibt kein Raum für schlechte Angewohnheiten oder gar etwaige Schattenseiten, die den Humanisten Picard tatsächlich etwas menschlicher erscheinen lassen würden. Und so verspricht sein erneuter Aufbruch in die unendlichen Weiten des Weltraums, einem Messias nicht unähnlich, bereits jetzt die Lösung aller Probleme.

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Gefährliche Flucht in eine idealisierte Führerfigur statt neue Ansätze

Bedauerlich ist der fehlende Tiefgang Picards nicht nur mit Hinblick auf den Spannungsbogen der Serie – sie verpasst es gleichzeitig, im Hinblick auf moralische Fragen einen echten erzählerischen Mehrwehrt zu schaffen. Dabei streifen bereits die ersten Folgen die zentralen Themen unserer Zeit: den Umgang mit dem (vermeintlich) Fremden, mit Flucht und Künstlicher Intelligenz. So erinnert die in ihren Werten wankende Föderation unweigerlich an das Zögern der Europäischen Union in der Flüchtlingskrise. Im Sci-Fi-Universum verkörpert durch Romulaner und Androiden, wird ebenso der aufkeimende Hass auf alles Fremde beleuchtet.

Doch so kühn, wie die Serie diese Themen anspricht, so mutlos scheint ihre Antwort darauf zu sein: Mit Picard wird es letztlich erneut eine unfehlbare Führerfigur sein, die die Erlösung bringt. Keine breite gesellschaftliche Reflexion bringt den Wandel, die Menschheit selbst ist am Ende keinen Schritt weiter. Ein solches eskapistisches Versprechen eines Helden, der die Zügel für uns in die Hand nimmt, hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack – denn im wahren Leben ist nicht mit ihm zu rechnen.

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Es bleibt zu hoffen, dass sich das Blatt im Laufe der zweiten Staffelhälfte zumindest in diesem Punkt noch wendet. Denn schließlich gelang es „Star Trek“ – und das weiß man auch als Nicht-Trekkie – mit politischen Statements, wie dem ersten „interracial kiss“, immer wieder (Fernseh-) Geschichte zu schreiben. Ein Potenzial, auf das wir gerade heute nicht verzichten wollen.

„Star Trek: Picard“, Staffel 1, seit 24. Januar 2020 erscheint jeden Freitag eine neue Folge auf Amazon Prime Video.

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