Stellt schon mal das Bier kalt: No Doubt kommen, um das Haus zu rocken. Und zwar so richtig.


Vor zwei Jahren, als No Doubt im Rahmen ihrer „Return Of Saturn“-Tournee das letzte Mal durch den altehrwürdigen „Roseland Ballroom“ in Mid-Manhattan fegten, fand die eigentliche Party noch nach dem Konzert statt. Tom Dumont vertauschte damals im Backstage-Bereich die Gitarre gegen zwei Plattenspieler und ließ die restliche Band inmitten der All-Access-Bagage zwei Stunden lang zu feinem Dancehall-Vinyl hoppen. Diesmal sollte es umgekehrt werden: „RockSteady‘ ist soo eine sexy Platte“, erzählte G wen Stefani vor Veröffentlichung des Albums, „und auf der Tour werden wir jedes Konzert in eine sexy Party verwandeln.“ Kein einfaches Vorhaben. Denn zum einen schien es nicht leicht zu sein, die doch leicht überproduzierten Ska- und Dancehall-Popnummern von „Rock Steady“ live so rüberzubringen, dass sie nicht wie flache MP3-Karikaturen klingen. Zum anderen wusste selbst die Band zum Anfang der Tournee nicht genau, wie sich ihr Publikum zusammensetzen würde. „Wir haben keine Ahnung, wer da alles erscheinen wird“ gestand dann auch Bassist Tony Kanal. „Klar, unsere letzte Single ‚Hey Baby‘ läuft neben Britney Spears und anderen Teenie-Ohrwürmern im Radio und spricht sicherlich einen Haufen neuer, junger Fans an, die noch nie etwas von ‚Just A Girl‘ gehört haben. Aber unsere alten Fans, die von ‚Tragic Kingdom‘ und davor, werden hoffentlich auch kommen. Wir werden versuchen, alle unter einen Hut zu kriegen.“ Erste Hutproben fanden Anfang des Jahres bei Rockfestivals in Puerto Rico und Venezuela statt. Mit Erfolg, denn No Doubt – mit inzwischen 15 Jahren Live-Erfahrung auf dem Buckel – zeigten sich bestens gewappnet.

So auch in New York. Das Publikum an diesem ersten von drei ausverkauften Abenden war erwartungsgemäß gemischt. Sechsjährige Knirpse, zahnbespangte „Gwennabies“, wie die weiblichen Teenie-Nachäfferinnen von Gwen Stefani leicht despektierlich genannt werden, Mittdreißiger mit entweder neu gefundenem oder immer noch gepflegtem Spaß an 80er-Jahre-Chic und sogar „noch ältere Säcke“ (O-Ton aus dem Publikum, gemeint waren damit wahrscheinlich zum Aufpassen verdammte Eltern der oben erwähnten Knirpse) drängelten sich vor der Bühne und auf den VIP-Rängen. Unter ihnen auch Ex-Cars Ric Ocasek, der sich die von ihm co-produzierten (und verdammt an die Cars-Songs „My Best Friend’s Girl“ und „Let’s Go“ erinnernden) Stücke „Don’t Let Me Down“ und „Platinum Blonde Life“ „endlich auch mal live“ anhören wollte. Letzteres wurde dann zwar nicht gespielt, doch Meister Ric war deswegen nicht sauer: „Klasse Show!“, gratulierte er später auf der After-Show-Party der Band.

Und das war es auch: eine klasse Show! Pünktlich um 21 Uhr öffnete sich der Vorhang für ein zweistündiges Spektakel. Eingerahmt von den zwei dreadlockigen Zusatzmusikern Stephen Bradley (Trompete) und Gabriel McNair (Posaune und Synthesizer), präsentierten sich die Jungs von No Doubt in ihren von der ehemaligen Kunststudentin Gwen Stefani entworfenen – Bühnenoutfits: Schlagzeuger Adrian Young mit nacktem Oberkörper, dafür aber mit zwei Hörnern, die ihm aus seinem Irokesen wuchsen, Bassmann Tony Kanal mit groß karierten Hosen und knallgelber Spike-Frisur, Gitarrist Tom Dumont in Hochwasserhosen, changierendem Sportsakko und 1A-Simon-Le-Bon-Haarspraypracht. Gwen, die nach eigenen Angaben „mindestens Minuten“ vor jedem Konzert mit „Rausputzen“ verbringt, verdeckte ihre langen Beine mit blauweißgestreiften Hochwasserhosen, aus denen hinten das glitzernde „Y“ ihres G-Strings herausragte. Das Stück zwischen dem freien, von zahllosen Situps gestählten Bauch und dem grell geschminkten Gesicht steckte unter einem abgeschnittenen Tanktop mit „Rock Steady“-gemustertem BH und einer schwarzrotgestreiften Krawatte. Geschmack? Fehlanzeige! Sexy? Ja, und wie! Denn irgendwie ist diese schamlose Zurschaustellung alles Schlechten aus den 8oer Jahren im Falle No Doubt keine blödsinnig-trendy Karikatur, sondern seit jeher fester Bestandteil der Comic-Ästhetik dieser Band und somit eine Selbstverständlichkeit, deren poppiger Obszönität man sicherlich amüsiert gegenüberstehen, deren Charme man sich aber nur schlecht entziehen kann. Egal – selbst wenn alle Mann in Lumpen auf der Bühne gestanden hätten, die Show wäre immer noch gut gewesen.

Allem voran Gwen Stefanis Cheerleader-Qualitäten, gepaart mit extremstem physischen Einsatz der Frontfrau, verwandelten die ca. 1.500 Fans im Ballsaal vom Opener „Hella Good“ an in überdimensionale Flummies, die erst mit Verklingen der letzten Note zur Ruhe kommen sollten. Wie eine Mischung aus verschlagen-verführerischer Aerobic-Trainerin und spastischer Bauchtänzerin fegte Gwen hin und her, sprang zu „Hey Baby“ auf die Lautsprecher, steckte sich zu „Just A Girl“ das Mikrophon in den Hosenbund, machte Liegestütze und schlug zwischenzeitlich gerne auch mal Rad, um dabei Strecken von mehr als fünf Metern zurückzulegen. Jetzt wurde klar, warum Gwen in vorangegangenen Interviews davon gesprochen hatte, dass „das Touren enorm anstrengend“ sei. Es gab nur wenige ruhige Momente, etwa bei der ÜB 40-styligen Pop-Reggae- Nummer „Underneath It All“ oder dem düsteren Eifersuchtsdrama „In My Head“. Doch immer wenn Gwen sich und ihr Publikum in grüblerischer Stimmung zu verlieren drohte, setzten die anderen wieder aufpeppende Akzente. So legte Tom Dumont seine Klampfe weg und ergriff eine dieser unsäglichen Keyboard-Gitarren, die man zuletzt in einem der schlechten Duran Duran-Videos gesehen hatte, und Young klatschte ein Percussion-Solo auf seinem blankgezogenen Po.

Zur Halbzeit wurde der Hahn dann noch ein bisschen weiter aufgedreht. Vier Gwen-Lookalikes tanzten in feinster Fernsehballett-Manier, der Backdrop fiel, und an seiner Stelle prangte nun ein riesiges goldenes „ND“ im Hintergrund – ABBA ließen grüßen. Dass das Ganze nicht zur „Love Boat“beziehungsweise „Moulin Rouge“-Persiflage ausartete, war vor allem der einwandfreien musikalischen Leistung der Band und der Arbeit der Soundmixer zu verdanken. Bedenken, der wuchtige Eindruck des neuen Albums würde live verblassen, wurden vor allem von Stephen Bradley und Gabriel McNair, die No Doubt bereits seit acht Jahren begleiten, weggeblasen, oder wie im Falle von „Hey Baby“, wobei sie den Bounty-Killer-Break übernahmen, einfach weggerappt. Natürlich wurden „Spiderwebs“ und „Don’t Speak“ gespielt, natürlich wurden dazu die Feuerzeuge gezückt, und als mit „Total Hate“ ein Schmankerl vom 95er-Indie-Release „The Beacon Street Collection“ gebracht wurde, waren selbst die eisernsten „Oldskoolerz“ restlos glücklich. Im Anschluß gab es wieder eine wilde Party, und Tom Dumont betätigte sich dabei erneut als DJ. Alle tanzten, alle waren glücklich, aber alle waren sich einig: Die eigentliche Party war diesmal das Konzert selbst. www.nodoubt.com