Kritik

„The Marvelous Mrs. Maisel“, Staffel 3: Sprachverliebtheit zum Totlachen


Musik! Popkultur! Feminismus!

Nach drei Golden Globes und acht Emmy Awards war klar, dass es eine dritte Staffel der großartigen Serie „The Marvelous Mrs. Maisel“ geben musste. Mrs. Maisel darf in den neuen acht Folgen, die seit dem 6. Dezember 2019 gestreamt werden können (nur in Originalsprache, die Synchronfassung folgt am 7. Februar 2020) als aufstrebende Komikerin auf Tour durch die USA gehen, was das Freund-Feind-Verhältnis zu Managerin Susie noch vertieft und für weitere brillante Dialoge und Wortwitze sorgt. Warum die neue Staffel auf Amazon Prime Video auch darüber hinaus wieder glänzen kann, unterstreichen die nachfolgenden fünf Gründe.

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1. Musical-Momente für ausgemachte Musical-Hasser

Wer sich schon ein bisschen mit der Biografie von Produzentin und Co-Autorin Amy Sherman-Palladino beschäftigt hat, weiß, dass sie vor ihrer Fernsehkarriere einen Lauf als Tänzerin hatte. Eine ganz offensichtliche Querverbindung zu wiederkehrenden, durchchoreografierten Momenten in „The Marvelous Mrs. Maisel“, sei es nun bei einer Kamerafahrt durch umhertänzelnde Kosmetikverkäuferinnen, oder beim 1950er-Jahre-Workout mit Hula-Hoop-Reifen, der Miriam „Midge“ Maisels Figur vor der anstehenden Tour den letzten Schliff geben soll. Diese Musical-Momente, unterstützt von üppig-ausgestatteter Orchester-Dramaturgie bringen originellen Schwung in das Geschehen, den diese Serie ja eigentlich gar nicht gebraucht hätte. Aber schön anzusehen ist es in jedem Fall, auch für Menschen, die tanzende und singende Schauspieler zutiefst verabscheuen – aus gutem Grund verzichtet die Hauptfigur immerhin auf Kostproben ihres Gesangs. Schließlich ist sie ja Stand-up-Comedian.

2. Der Palladino-Effekt

Auch für die dritte Staffel „The Marvelous Mrs. Maisel“ muss man glücklicherweise nicht auf Amy Sherman-Palladino verzichten. Als Produzentin (auch hier wieder gemeinsam mit Ehemann Daniel Palladino), Autorin und Regisseurin eine Ausnahme-Erscheinung, was einem spätestens bei den „Gilmore Girls“ (2000-2007 als Autorin, Produzentin und Regisseurin) aufgefallen sein müsste. Geschliffener Wortwitz, pointiertes Geplapper und wahnsinnig schnelles Bonmot-Pingpong – damit konnten schon Lorelai und Rory Gilmore jeden Sprachwissenschaftler zum Schmelzen bringen. Und diese starken Dialoge dürfen wir auch bei Midge, ihren Widersachern und Verbündeten wieder erleben. Es war übrigens die Serie „Roseanne“, die Palladino als Autorin zum Fernsehen brachte, wofür sie ihre Karriere als Tänzerin aufgab. Über ihren 2012 verstorbenen Vater Don Sherman konnte sie praktischerweise Infos aus erster Hand über die Comedy-Szene der späten 1950er-Jahre in Greenwich Village besorgen – er war zu der Zeit Stand-up-Comedian in New York.

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3. Nur Juden können sich so geschmackvoll über Juden lustig machen

In Hollywood arbeiten zahlreiche Produzenten und Autoren mit jüdischem Background, auch Sherman-Palladino ist da keine Ausnahme. Weswegen es ihr natürlich erlaubt ist, jede jüdische Tradition, jedes jüdische Klischee und jedwede jüdische Charakterstärke mit gebührender Anerkennung durch den Kakao zu ziehen. Eine Konstante, die auch in der dritten Staffel für einige politisch-unkorrekte Lacher sorgt. Mit aufmerksamem Feixen darf zum Beispiel der Cowboy bedacht werden, der unter seinem texanischen Cowboyhut plötzlich eine Kippa offenbart. Eine kopflastige, aber praktische Emulsion der Kulturen, sozusagen.

4. Popkultur, Feminismus und Comedy

Natürlich steht die Popkultur der ausklingenden 1950er-Jahre noch auf anderen Füßen, als im Jahre 2019. Namen wie Joan Rivers, Phyllis Diller und Totie Fields, die zu den ersten erfolgreichen weiblichen Comedians der USA gezählt werden dürfen, sind da wichtig und werden immer wieder als Einflüsse für die Figur von Midge Maisel genannt. Maisel-Darstellerin Rachel Brosnahan erwähnte in einem Interview mit dem National Public Radio NPR die Komikerin Jean Carroll als Vorbild für die Rolle, die bereits in den 1950ern auf der Bühne stand, aber an unkonventioneller Verruchtheit nicht mit der Figur von Mrs. Maisel mithalten kann. Als Feministin sieht die Schauspielerin Midge Maisel indes nicht, wie sie der „New York Times“ erzählte: „Sie ist eine Figur ihrer Zeit. Aber sie ist neugierig und unersättlich.“ Der immer wieder auftauchende, und für Mrs. Maisels Erfolg als Stand-Upperin maßgebliche Lenny Bruce (gespielt von Luke Kirby) ist derweil keine fiktive Figur, sondern war einer der ersten US-Comedians, der mit politischen und sozialkritischen Stand-Up-Comedy-Auftritten großen Erfolg feierte und dafür öfter mal einfuhr.

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5. Musikreferenzen zum Nachgooglen

Natürlich bieten die 1950er- und 1960er-Jahre ein Füllhorn an uns unbekannter Musik, welches bei Mrs. Maisel mit Wonne ausgeschüttet wird. Interpretationen großer Klassiker, orchestrale Schwelgereien, Mitsing-Evergreens und gar nicht so alte Pophits – es ist alles da und eröffnet die Möglichkeit, noch weiter in diese Ära amerikanischer Kultur einzutauchen und sich auch musikalisch noch ein bisschen fortzubilden. In dieser Staffel treffen unter anderem Nina Simone, Thin Lizzy, Barney Kessel, The Rockettes, John Lennon und Fountains Of Wayne als völlig ungleiche Musik-Joker aufeinander – was gleichermaßen für die Zeitlosigkeit großer (musikalischer) Kunst spricht, wie es auch erneut unterstreicht, dass Mrs. Maisel in jeglicher Hinsicht das Zeug zu einem Serienklassiker hat, den man spätestens mit dieser Staffel nun mal wirklich liebhaben muss.

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