Tommy Conwell


Newcomer gibt es ja bekanntlich wie Sand am Meer, besonders in den USA und ganz besonders in Sachen gitarrenorientiertem Rock’n’Roll. Wer will einen da noch vom Barhocker bürsten! An diesem Abend waren reichlich bürstbare Hocker frei, denn den Namen Tommy Conwell & The Young Rumbiers hatte man in Hamburg (und anderswo sicher ebenso) höchstens in Indie-Kennerkreisen mal gehört. So verlief sich das hungrige Häuflein der 100 Aufrechten fast in der Großen Freiheit, und es bedurfte eines mannhaften Auftritts, um sich von der dünnen Kulisse nicht entmutigen zu lassen. Conwell und seine Rumblers jedoch waren zum Arbeiten gekommen! Ein exzellenter Ruf als Club-Abräumer ging ihnen aus dem heimatlichen Philadelphia voraus, und der blondsträhnige Frontman Conwell (sieht aus wie der Bruder von Film-Beau Kiefer Sutherland) ließ von der ersten Note an überhaupt keinen Zweifel aufkommen, daß er die Sache fest im Griff hat: Jemand der mit einer völlig verwanzten, halbakustischen „Guild“-Gitarre auf die Bühne gestürmt kommt, kann nicht ganz verkehrt sein! Ihr Single-Flaggschiff „I’m Not Your Man“ vom neuen Album RUMBLE ließen Conwell & Co. mutigerweise gleich zum Start lossegeln und setzten damit einen hohen Standard. Schöne Chöre, einprägsame Hooks, knochentrockene, schweiß- und emotionstriefende Gitarren-Breaks: eine wohlbekannte Trickkiste, aber mit höchster Genauigkeit und Finesse ausgepackt. Conwell, der seine Stimme bis an die (Blues-) Grenzen seiner Ausdrucksmöglichkeit trieb, verließ dabei nie das leichte, lässige Fingerschnipp-Gefühl, das in jeder Sekunde sagt, „Hey, Leute, alles klar, woll’n doch mal sehen, was heule noch so abgeht!“

Eine schön bescheuerte, hinreißend perfekte Rock-Show mit einem Entertainer, der einen David Lee Roth in Sachen Sex leicht in die Tasche steckt. Tommy Conwell bewegt sich mit der naiven Perfektion des jungen Jagger, sieht gemein aus wie der schwer erziehbare Junge aus der Nachbarschaft, den alle Mädchen geil finden, und er spielt obendrein eine butterweiche stahlharte Gitarre ohne

irgendwelche Virtuosen-Flausen.

Da darf er es sich denn auch erlauben, die Nummer mit dem Gang durchs Publikum abzuziehen, lässig über die Theke zu marschieren und wie ein Zigeunergeiger den Damen auf den Barhockern Aug in Aug ein kleines Ständchen zu bringen.

Fast überflüssig zu erwähnen, daß seine Vier-Mann-Combo das Spiel ebenso perfekt beherrscht: dröhnender Rhythmus, stoisch, stampfend, unelektronisch, schön schräg menschlich. Conwell und seine Gang jedenfalls haben eine scharfe Lanze für die simple Schönheit des ordinären Rock gebrochen.