Trommler mit Tiefe


„Garage Inc.“ ist das erste Metallica-Album ohne Metallica-Songs. Gehen euch die Ideen aus?

Es gibt drei Gründe für dieses Album: Erstens existieren einfach zu viele Bootlegs der „Garage Days“-EP (längst vergriffene Cover-EP aus dem Jahr 1987; Anm. d. Red.). Zweitens sind Songs wie „Am I Evil“ schon seit Jahren Bestandteil unserer Konzerte. Drittens war es einfach an der Zeit, mal wieder mit den Stücken anderer Leute herumzuspielen. Man darf nie vergessen, daß wir als reine Cover-Band angefangen haben. Bei unseren ersten Konzerten haben wir ausschließlich Stücke von Diamond Head und Sweet Savage gespielt.

Dabei covert ihr nicht nur eure musikalischen Idole, sondern auch Nick Cave und Lynyrd Skynyrd, also Bands, mit denen ihr eigentlich überhaupt nichts am Hut habt.

Ich betrachte es mit Genugtuung, daß wir in der Lage sind, ein so großes Spektrum abzudecken. Wir können viel mehr, als uns die meisten zutrauen. Und wir fangen gerade erst damit an, diese Seite in den Vordergrund zu stellen.

Für das Video zu „Turn The Page habt ihr Jonas Akerlund engagiert, der auch den umstrittenen Clip zu „Smack My Bitch Up“ von Prodigy inszenierte. Sucht ihr nach einer neuen Identität?

Und ob! Ich halte Jonas für unglaublich talentiert. Was er mit Prodigy oder Madonna gemacht hat, war einfach außergewöhnlich. Ich wußte, daß er auch uns ganz anders darstellen würde. Außerdem hat er den gleichen ßackground wie wir. Er hat jahrelang Schlagzeug in einer Death-Metal-Band gespielt und ist ein riesiger Metallica-Fan, der uns schon etliche Male live gesehen hat.

Da wir gerade von Videos reden: Stimmt es, daß du jährlich an die hundertmal ins Kino gehst?

Wenn ich auf Tour bin, kann ich gar nicht genug Filme sehen -das ist meine absolute Lieblingsbeschäftigung. In den letzten Jahren habe ich begonnen, mich mehr und mehr für den kreativen Prozeß zu interessieren, der dahinter steckt. Und irgendwann werde ich mich mal intensiver damit beschäftigen. Allein deshalb, weil ich mit Metallica im Grunde alles erlebt habe. Also suche ich nach neuen Gebieten, auf denen ich mich betätigen kann -Schreiben, Produzieren, Regie führen, was auch immer. Ich weiß, daß viele Rockstars mit einer Schauspielerkarriere liebäugeln, aber das ist nicht mein Ziel. Ich brauche das auch nicht für mein Ego. Jedenfalls nicht, so lange ich als Metallica-Drummer in allen Clubs und Restaurants hofiert werde, (lacht) Das klingt, als ob du dir bereits Gedanken über ein Leben nach Metallica machst?

Na klar! Und aus irgendeinem merkwürdigen Grund hat das auch nichts Erschreckendes. Es käme mir gar nicht mal ungelegen – ich könnte endlich etwas anderes tun. Zum Beispiel Platten produzieren, ein Buch schreiben oder sechs Monate durch Nepal wandern. Die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Versteh‘ mich nicht falsch: Ich will damit nicht sagen, daß ich mir das Ende herbeiwünsche, aber wenn es passiert, bin ich mit Sicherheit der letzte, der sich dagegen wehrt. Nur: Metallica ist die einzige Band, in der ich je gespielt habe, und es ist auch die einzige, in der ich jemals spielen werde. Ich habe keine Lust, mit anderen Leuten Musik zu machen.

Stimmt es, daß du Kunstwerke im Stil der Kobra-Bewegung aus den 40er und 50er Jahren sammelst?

Ja. Dabei handelt es sich um abstrakte Malerei von Künstlern aus Kopenhagen, Brüssel und Amsterdam, Kobra eben. Leute wie Jackson Pollock, Franz Klein oder Motherwell hatten einen verspielten Ansatz, der keinem Formalismus folgte, sondern völlige künstlerische Freiheit propagierte. Ich liebe diese Bilder und habe etliche davon zu Hause.

Außerdem hast du mit „The Record Company“ ein Label gegründet, das sich auf die Förderung von Nachwuchstalenten spezialisiert. Ist das purer Idealismus oder eine weitere Geldanlage?

Hey, ich verdiene eben gerne ein paar Mark – und ich stehe dazu. Schließlich bin ich nicht Trent Reznor, der alles tut, um seine Credibility zu wahren. Ich mache es auch nicht wie dieser Typ von Pearl Jam (Stone Gossard; Anm. d. Red.), der seinen ganzen Freundeskreis unter Vertrag nimmt. Ich will Musik veröffentlichen, um Platten zu verkaufen. Punkt.

Mal ganz ehrlich: Identifiziert ihr euch überhaupt noch mit dem Metal-Genre?

Im Grunde beanspruchen wir unseren eigenen Platz. Schließlich sind unsere Alben musikalisch immer sehr abwechslungsreich. Hardrock oder Heavy Metal sind sehr enge Kategorien. Natürlich machen wir heftige Musik – das kann ich nicht leugnen. Aber es macht doch einen großen Unterschied, ob man harte Töne produziert, oder ob man tatsächlich nur in diesen Klischees denkt.

Demnach dienen Cover-Versionen fremder Songs und Akustikkonzerte der gezielten Abgrenzung gegenüber dem reinen Metal-Genre?

Richtig! Einfach nur laut zu spielen, ist unglaublich feige. Erst wenn du alles auf das Wesentliche reduzierst, zeigst du Mut zum Risiko. Vor allem, wenn du das vor 25.000 Leuten machst. Wir müssen langsam auch mal an uns denken. Und genau das ist es, was diese akustischen Auftritte bewirken: Sie leiten ein großartiges, neues Kapitel Metallica ein. Und wer’s wirklich wissen will: Ich kann „Sad But True“, „Nothing Else Matters“, „Enter Sandman“ und „Until It Sleeps“ beim besten Willen nicht mehr hören.

Gibt es schon Pläne für das nächste Album?

Alles, was ich sagen kann ist, daß wir im September 1999 ins Studio gehen und nicht wieder in San Francisco aufnehmen werden.

Ende der 70er warst du eines der größten dänischen Tennis-Talente. Hast du es je bereut, diese Karriere für die Rockmusik geopfert zu haben?

Nicht wirklich. Das Schwierigste ist, mit dem Leben in der Gruppe klarzukommen. Ich meine, ich muß in ein Flugzeug steigen, auch wenn ich absolut keine Lust dazu habe. Ich muß so oft so unglaublich früh aufstehen, obwohl ich viel lieber noch ein bißchen schlafen würde. Natürlich liebe ich die anderen Jungs, aber als Tennis-Profi könnte ich eben einen Flieger nehmen, wenn ich gerade Lust dazu hätte.

Warst du wirklich so gut, wie alle behaupten?

Schon, aber ich war wohl einfach nicht diszipliniert genug. Ich habe das Talent von meinem Vater geerbt, mußte aber härter daran arbeiten, als mir lieb war. Mit 15,16 fing ich dann an, Bier zu trinken, zu kiffen und Iron Maiden zu hören. Damit hatte sich die Sportler-Karriere erledigt, (ma)