U2 – Tempe, Arizona State University


Die Premiere der ’87er Welt-Tournee stand unter keinem guten Stern. Prediger Bono verletzte sich am letzten Probentag bei einem Sturz und mußte am Kinn genäht werden. Außerdem kündigte sich in des Sangers Kehle eine bösartige Laryngitis an. Und zu allem Überdruß war da noch eine emotionsgeladene Diskussion entbrannt: Stevie Wonder hatte die Band aufgefordert, im Staate Arizona alle Konzerte abzusagen, da der dortige Gouverneur Evan Mechan den von Wonder mitinitiierten Staatsfeiertag für Martin Luther King verhindern wollte.

Letzteres sollte das kleinste Problem bleiben. Die Iren ließen verlautbaren, daß Herr Mechan sowieso nicht für die Leute in Arizona spräche und spendeten Geld für das „Mechan Watchdog Commitiee“, eine Vereinigung, deren erklärtes Ziel es ist. diesen Feiertag — wie in den meisten anderen US-Bundesstaaten — auch in Arizona einzuführen.

Doch als Lennons „Stand By Me“ aus der PA ausgeblendet wurde, daraufhin ein Willkommensgebrüll der 15.000 das Stadionrund erzittern ließ und die Band in eine Brachial-Version von „Where The Streets Have No Name“ einstieg, wußte man schon nach dem ersten Einsatz Bonos, daß dies nicht sein Tag werden sollte. Das genähte Kinn mit Make-up zugekleistert, mußte sich der sonst so Stimmgewaltige zu den höheren Noten förmlich zwingen, überschlug sich, und mußte bald auf flüsternde Spar-Flamme reduzieren.

Das Publikum indes schien der Stimmausfall nur anzuspornen. Als Bono gar nicht mehr konnte, übernahmen die 15.00(1 in eindrucksvoller Manier die Gesangsparts. Und wie Hymnen a la „Gloria“ oder „Sunday Bloody Sunday“ klingen, wenn eine Menschenmenge aus vollstem Herzen loslegt, muß man mit eigenen Ohren gehört haben.

Aber auch ruhige Titel wie „Running To Stand Still“ erfuhren durch die aktive Teilnahme des Publikums plötzlich ganz neue Dimensionen.

Und dann „Pride“, jenes begnadete Stück Musik zu Ehren Dr. Kings, das Bono mit den Worten

einleitete: „Ich glaube, daß die Leute in Arizona wissen, was zu tun ist; deshalb müssen wir darüber auch nicht reden!“

Nach 80 Minuten ging beim besten Willen nichts mehr. Bono kapitulierte. Gegen Ende von „New Years Day“ kletterte er auf die PA-Boxen, blickte beinah ungläubig auf diesen feuchten Traum Gotthilf Fischers, lächelte, krächzte ein zittriges „Thank you“ und verschwand.

Daß sich Bonos kaputtes Organ nicht psychologisch mit Erfolgszwang erklären ließ (amerikanische Zeitungen verkündeten, U2 werde mit dieser Tour die „wichtigste Rockbund der Welt“ werden), erfuhr man am nächsten Tag. Da gab’s wieder eine Premiere: Das erste abgesagte U2-Konzert der Bandgeschichte.