Podcast-Kritik

„Unter Pfarrerstöchtern“: Ein Podcast über die Bibel als Bergmassiv


Von den einen vergöttert, von den anderen nicht für bare Münze genommen: die Bibel. Sabine Rückert und Johanna Haberer finden in ihrem Podcast einen galanten Mittelweg. Ob Frauenbilder und Sündenfall oder Sintflut und Klimawandel – die zwei Pfarrerstöchter beziehen die Heilige Schrift auf unsere Gegenwart.

„Wir sind kein Kirchenfunk wir wollen niemanden bekehren, wir sind keine Schule, wir wollen niemanden belehren.“

Noch vor dem Gespräch mit ihrer Schwester Johanna feuert Sabine Rückert eine Mahnung an die Hörerschaft. Es folgt eine kurze Abhandlung darüber, was dieser Podcast sein und nicht sein soll. Man könne sich, so Sabine, die Bibel als gewaltiges Bergmassiv vorstellen. Dieses habe sich in vielen tausend Jahren aufgetürmt und sei von Pflanzen überwuchert und von Abgründen durchfurcht. Über jenes Massiv wanderten die beiden Expertinnen nun mit achtsamem Blick und erfreuten sich an der Gegend. „Wir müssen von dieser Landschaft aber auch ein paar Irrtümer klären und die Patina abkratzen“, hakt Johanna rasch ein.

„Ob ihr glaubt oder nicht, ist uns einerlei“

Mit den Worten Sabines sind Sound und Intention des Formats gesetzt. Es geht ums charmante Rezitieren und Sichtbarmachen von Bibelversen im Angesicht der Gegenwart. Darunter tummeln sich Mythen über die Erschaffung der Welt, Noahs Arche oder die Städteentwicklung durch Sodom und Gomorra. Glauben muss man an die Wahrhaftigkeit jener Geschichten nicht. Auch darauf verweisen die Pfarrerstöchter in ihrem Disclaimer. Vielmehr wollen Sabine und Johanna Ursprünge und Deutungswege aufzeigen. So zum Beispiel der Verweis auf den Tierschutz auf „Noahs Arche“, der die Artenvielfalt zelebriert, und uns bis in heutige Klimawandel-Diskussionen begleitet. Jene Deutungsmuster führen auch zu der Frage, inwiefern etwa die patriarchale Unterdrückung der Frau längst in der Bibel zementiert sei. Immerhin habe Gott diese ja aus der Rippe des Mannes geschaffen. „Alle Fragen, die Menschen haben, sind in diesen Geschichten verborgen. Wir können sie nicht beantworten, aber wir können die Fragen aufmachen“, sagt Johanna in der Folge „Adam und Eva“.

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Um ein Gespür dafür zu geben, wie der Urtext dieser Geschichten klingt, haben Sabine und Johanna zudem Einspieler von einem Sprecher aufnehmen lassen. Im Lutherdeutsch zu sphärischem Rauschen zitiert dieser prägnant aus der Bibel. Seit Dezember 2019 gelingt das Konzept jetzt schon so. Seither sind insgesamt 15 Folgen erschienen.

Sabine, die Journalistin und Johanna, die Theologin

Sabine Rückert kennt man schon etwas länger aus dem Verbrechenspodcast von „Die Zeit“. Dort geht die Journalistin mit Scharfsinn und Neugier und zusammen mit ihrem Kollegen Andreas Sentker den fürchterlichsten Gräueltaten nach. Auch bei den Pfarrerstöchtern klingt ihre Stimme ein wenig so, als sei sie immer kurz davor ein großes Geheimnis zu lüften. Vor allem mit dem andächtigeren Klang ihrer Schwester Johanna Haberer, einer Professorin und Theologin, mischt sich das sehr gut.

Dabei gehören die Bibel-Geschichten schon seit Kindertagen zur geistlichen Innenausstattung der beiden. So war der Vater der Geschwister Pfarrer, die Mutter Pfarrerstocher. Mit Leichtigkeit mischen sie heute in ihren Dialogen immer wieder kleine Anekdoten unter. In der ersten Folge „Die Erschaffung der Welt“ haben sie etwa die eigene Hausbibel im Gepäck. Die wurde gründlich vermessen. „54 Zentimeter lang, 42 Zentimeter breit und 33 Zentimeter dick“, sagt Johanna stolz. 400 Jahre soll der sechs Kilo schwere Wälzer zudem auf dem Buckel haben. Wie wenig man doch über die Bibel weiß, wird hier am haptischen Beispiel festgemacht.

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Als Sabine einst in Jan Böhmermanns Klamauk-Sendung „Neo Magazin Royale“ geladen war, offenbarte auch der Moderator so manche Lücke seines Bibelwissens. Für Sabine sei das der Startschuss für den Podcast gewesen. Der funktioniert nun so gut, weil die beiden Pfarrerstöchter die Bibel als poetisches Geschichtsbuch und damit als Weltkulturerbe begreifen. Der Eindruck, der beim Hören entsteht, ist weit entfernt von Kitsch und Klischee und macht keinen Unterschied zwischen Gläubigen, Atheisten und Unentschlossenen.

15 Folgen gibt es mittlerweile schon. Im Schnitt dauern die einzelnen Episoden knapp 40 Minuten. Eine neue Ausgabe erscheint im zweiwöchigen Rhythmus immer freitags – überall, wo es Podcasts gibt.