Kritik

„Upload“ (Staffel 1) auf Amazon Prime: Nihilistisch-kaputte Comedy aus dem Jenseits


Wie ethisch-fragwürdig es in der Zukunft noch werden kann, zeigt die neue Serie von „The Office“-Autor Greg Daniels. Im Jahr 2033 kann man sich, sofern genug Geld vorhanden ist, ins digitale Jenseits verfrachten lassen und dort solange weiterleben, bis das mit der Reinkarnation perfektioniert wurde. Hier sind fünf Gründe, warum die Mischung aus Science-Fiction, Küchentisch-Philosophie, Comedy und 1990er-Teenie-Schmonz als Zwischenmahlzeit auf jeden Fall sehenswert ist.

Was von der neuen Serie von Greg Daniels („The Office“, „Parks and Recreation“, „Die Simpsons“) zu halten ist, erfahrt Ihr hier. Wir haben die wichtigsten fünf Punkte für Euch zusammengetragen. „Upload“ ist ab dem 1. Mai 2020 auf Amazon Prime Video verfügbar.

„Upload“ auf Amazon Prime Video: Alles, was Ihr zum Serienauftakt wissen müsst

1. Ist Unsterblichkeit etwas Erstrebenswertes?

Dass der App-Entwickler, Partylöwe und Hauptdarsteller Nathan Brown (Robbie Amell) an den Folgen eines Autounfalls stirbt, ist schon recht ungewöhnlich. Denn im Jahr 2033 sind die selbstfahrenden Autos quasi fehlerfrei und sein Crash mit einem parkenden LKW eigentlich technisch nicht möglich. Schwer verletzt wird er ins Krankenhaus gebracht und auf Drängen seiner wohlhabenden Freundin Ingrid (Allegra Edwards) in die schicke Jenseits-Residenz namens „Lakeview“ transferiert, wo er an einem idyllischen Waldsee in einem Holzfäller-Hotel den Rest seines digitalisierten Lebens fristen darf. Das behagt Brown nicht nur deshalb nicht, weil die Freundin all seine Ausgaben (exotische Kaffeesorten kosten extra, therapeutische Gespräche mit einem sprechenden Hund auch) kontrolliert, sondern auch, weil die digitale Welt mit zahlreichen Bugs und Ruckeleien daherkommt.

Explizit philosophisch wird das Thema „Leben nach dem Tod“ hier zwar nicht thematisiert, aber die Unterredungen zwischen Nathan und seinen Mitbewohner*innen zeigen deutlich, dass wir in 2020 längst wissen sollten, dass digital nicht immer besser ist. Ein konsumfixierter Knast, der den Toten und Nachkommen für jeden penetrant beworbenen In-App-Kauf Geld aus dem Kreuz leiern will, ist zum Beispiel so ein Horrorszenario. Da ist man geneigt, sich heimlich von der Brücke zu stürzen, weil Gott immer noch nicht existiert und das mit dem natürlichen Lebensende schon seine Richtigkeit hat.

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2. War die Gegenwart unbefriedigend, oder ist die Unendlichkeit schlimmer?

Natürlich wäre es für Greg Daniels, den Autoren und Schöpfer der Serie, zu eindimensional, sich nur auf der Grundidee einer digitalen Unsterblichkeit auszuruhen. Weswegen auch recht schnell klar wird (Achtung: Spoiler!), dass Nathans Abschiebehaft auf den Servern einer Datenkrakenfirma „Horizen“ nicht durch schlechtes Karma gelenkt wird, dafür aber von kriminellen Machenschaften – und seine Freundin ist nicht ganz unbeteiligt. Brown hatte kurz vor seinem Ableben eine App entwickelt, mit der man die Kontrolle über sein eigenes „Afterlife“ wieder zurückerlangen könnte. Ein Investor war darauf genauso scharf wie die Konzerne, die mit der Unsterblichkeit der Dahingeschiedenen ihre Kohle verdienen. Deswegen musste Brown verschwinden.

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Schon in den ersten Stunden im neuen „Lakeview“-Zuhause kann er sich nicht mehr an elementare Fakten wie den Namen seiner App oder verschiedene andere prägnante Erlebnisse erinnern. Diese wurden gelöscht, um zu verhindern, dass seine ethisch-korrekte Vision realisiert wird und die Industrie mit dem Schicksal der Menschen, im Hier oder im Jenseits nicht länger Reibach machen kann. Ein klassischer Thriller-Erzählstrang eigentlich, der hier dennoch wesentlich freigeistiger und differenzierter ausgesponnen wird, als es das teilweise etwas hölzerne Schauspiel der Darsteller*innen zunächst vermuten lässt. Da man im Jahr 2033 nach dem Übertritt ins „Upload“-Jenseits vollständig abhängig ist von denjenigen, die im echten Leben die Gebühren zahlen, und folglich darüber entscheiden, welchen Whisky oder Designer-Golfschläger man im App-Store runterladen darf, sind alle „Uploader“ bloß noch digitale Sklaven.

3. Lustige Ideen aus der Kreativ-Mittagspause

Klar, wir wissen auch nicht, was die Digital Natives im Silicon Valley und in Hollywood bei den Creative Breaks machen, um lustige Konzepte zu ersinnen. Wir ahnen etwas mit Shiatsu-Flunkyball und Kombucha-Cocktails. Aber bei „Upload“ haben Pennäler-Gags und humorvolle Kapitalismuskritik gleichermaßen ihren Platz. Wohl nur für Männer äußerst ergreifend ist beispielsweise die Tatsache, dass der eigene Avatar immer zielsicher das Pissoir trifft – egal wie weit er sich entfernt oder was für Kapriolen er mit seinem Schwengel anstellt. Bösartig ist andererseits die Tatsache, dass es ein verstecktes Kellerstockwerk im „Lakeview“ gibt, für diejenigen, die nur ein 2-GB-Datenkontingent haben und in der digitalen Holzklasse ohne jeglichen Luxus vor sich hinvegetieren müssen.

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Weitere gute Einfälle: Hinter einer Hecke im Garten beginnt die Grauzone, quasi das Darknet des Digitalen, hinter der es gegen harte Credits die spannenden bis gefährlichen Sachen gibt, die man auch heute schon im Darknet vermutet. Brown teilt sich mit Nachbar David Choak (William B. Davis) zwar den gleichen schmucklosen Hotelflur, hinter der Zimmertür des Multimilliardärs erstreckt sich jedoch eine 50.000 Quadratmeter umfassende Gartenanlage mit pompösen Anwesen. An kreativen Ideen (und gleichzeitiger Kritik an Auswüchsen wie dem „Internet of Things“) mangelt es wahrlich nicht – und sie sind mehrheitlich originell, manchmal auch einfach nur schön schrullig.

4. Die Hotline-Assistentin ist ein Engel

Auch nicht viel besser: sich im Diesseits im Callcenter von „Horizen“ um die Belange der Jenseitigen kümmern zu müssen. Denn Nathan kann nach seinem „Engel“ (ziemlich souverän gespielt von Musikerin und Schauspielerin Andy Allo) rufen, der sich dann wahlweise als Stimme aus dem Off, oder als eigener Avatar in die jenseitige Welt schaltet, um Nathan zu helfen. Klar, dass sich daraus schnell eine Liebesbeziehung entwickelt, denn auch der Engel namens Nora ist unzufrieden mit ihrem Leben in der realen Erwerbsarmut und hat (schon wieder Spoiler!) clevererweise auch mitgekriegt, dass mit dem Upload von Nathan Brown etwas nicht stimmt.

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5. War das jetzt komisch, oder ein Versehen?

In der anfänglich größten Schwäche der Serie steckt auch ihr größtes Potential. „Upload“ ist sich nie sicher, ob es nun ein post-konservatives „Beverly Hills 90210“ in einem fleischgewordenen Instagram-Paralleluniversum sein will, oder doch eine nihilistisch-kaputte Comedyserie, bei der die Grenzen zwischen Popkultur-Klischees, digitaler Oberflächlichkeit und pointierter Sketch-Comedy galant verschwimmen.

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Manche Figuren, wie die Privatdetektivin für „verdächtige Umstände“ Fran Booth (Elizabeth Bowen) sind charmant überzeichnet. Nathans blonde Supermodelfreundin Ingrid gerät dabei eher zum blassen Abbild des stereotypen Promi-It-Girls. Was der Serie aber wiederum hilft, ihre Geschichte zu erzählen, bei der auch die weniger ausgearbeiteten Figuren die Grenzen zwischen statischen digitalen Hilfsarbeitern, digitalisierten und analogen Menschen auf nachdenkliche Weise durcheinander kommen lassen. Denn natürlich ist auch die analoge Welt in „Upload“ vollständig vernetzt, digitalisiert und kapitalistisch durchgetaktet. Die zehn jeweils rund halbstündigen Folgen von „Upload“ ergeben ein humorvolles und aufrichtig zweifelndes Binge-Watching-Intermezzo.