Verachtung Baby!


Ein Bild des Grauens: U21983 beim „Rockpalast-Festival auf der Loreley. Bono als Fahnen schwenkender“.Frontmann“ im ärmellosen Hemd mit Vokuhila-Frisur.“.Sundaaaaaaaay, bloody Sundaaaaaaaay“ skandierend. Like Punk never happened. Wofür war die Punk-Revolution eigentlich gut, wenn nur ein paar Jahre später eine Band, die selber irgendwie daraus hervorgegangen war, sich zu dem entwickelte, gegen das sich die Revolution gerichtet hat? Zum selbstherrlichen Super-Mega-Giga-Act. De.,Scheißband“ (Kritiker Diedrich Diederichsen, 1987) war gerade dabei, die Welt zu erobern.

Mit jeder verkauften Platte, jeder sakralen Konzertinszenierung, jeder medialen Bauchpinselei wuchs das Ego des „charismatischen Frontmannes™“ Bono ins Unermessliche. Nicht, dass Egomanie eine Ausnahmeerscheinung im Pop-Business wäre, aber kaum jemand stellt seine Selbstverliebtheit so penetrant und ekelhaft zur Schau wie Bono. Die Sonnenbrille [das Rockstar-Klischee-Accessoire schlechthin) scheint ihm an den Ohren angewachsen zu sein. Das Zigarillo (Rauchen als Ausdruck äußerster Subversivität in Zeiten des globalen Gesundheitswahns) lässig im Mundwinkel. Der falsche amerikanische Akzent (cool!), mit dem er bei jeder Telefonzelleneinweihung und Gutmensch-Veranstaltung ein paar erhebliche Worte ins Mikrofon salbadert. Ein Ego, so grofl wie das Empire State Building. Nur manchmal bröckelt das Gebäude: Bono und Larry Müllen beim Interview mit VIVA zum angeblich bahnbrechenden ’97er-Album „Pop“. Der Fragesteller lobt zu Recht Mullens und Claytons Remix zum „Mission: Impossible‘ -Film-Remake aus dem Jahr zuvor. Der Augenblick der Wahrheit: Bono entgleiten für einen Sekundenbruchteil die Gesichtszüge, die Kinnlade fällt herunter, Müllen kann sich ein Grinsen nicht verkneifen, sein Gesicht erstarrt aber gleich wieder zur regungslosen Maske. Nur den Chef nicht verärgern. Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Wo kein Bono mitmacht, ist nicht gut. Bono, du bist der Größte.

U2 als gewaltige Worthülsenabschussrampen: PopMart, Mac-Phisto, Zooropa – Schlagworte mit nichts dahinter. Und die Songtexte? Auf den ersten Blick nett zu hören, bei genauerer Betrachtung eine unglaubliche Ansammlung metaphorisch gemeinter Phrasen. Lyrik auf Hanni-und-Nanni-Niveau: „Through the storm we reach the shore/You give it all but I want more/And l’m waiting foryou“ („With Or Without You“)..,/ want to run/l want to hide/l want to tear down the walls / That hold me inside/l want to reach out/And tauch the Harne I Where the streets have no name“ („Where The Streets Have No Name“). Die Musik? Pathetische Rock’n’Roll-Klischees, in kitschige Songmonumente für die Ewigkeit gegossen. Beispielhaft: das hoch gelobte „The Joshua Tree“. In einer Zeit, in der „der Rock“ schon längst bei Husker Du, Dinosaur Jr“ Pixies oder Yo La Tengo angekommen ist, präsentieren sich U2 als satte Mainstream-Rocker.

Bono, der politische Mensch. Immer mit den richtigen issues: gegen Krieg, gegen Regenwaldabhotzung, für Menschenrechte. Immer mit den richtigen Freunden. Salman Rushdie, dessen „Satanische Verse“ nur halb so legendär geworden wären, hätte der iranische Revolutionsführer Khomeini nicht einen Mordaufruf über ihn verhängt. Der un- ¿ erträgliche Wim Wenders, der in seinen Filmen den Kitsch zur Kunst erhoben hat – viel zu sehen, nichts dahinter, der U2 der Filmbranche. Bono beim Papst, Bono mit Pavarotti, Bono mit Gerhard Schröder – ein unsägliches Schmierentheater. U2 lieben das Establishment, und das Establishment liebt U2. Die bourgeoisen Musiker als Lieblinge der Musik-Bourgeosie. Und so kommt es, dass jede Flatulenz, die U2 abgeht, mit Grammy-Nominierungen im zweistelligen Bereich belohnt wird. Die Grammy-Verleihung, das Gegenteil von Rock’n’Roll. Sesselfurzende Anzugträger im Rentenalter aus den oberen Stockwerken multinationaler Schallplattenherstellungskonzerne wollen der Welt zeigen, wie Rock’n’Roll richtig geht. U2 wollen das auch. Und scheitern. Mit wehenden Fahnen. Ein Bild des Grauens.