Verkannte Kunst

Verkannte Kunst (7): Scooter – Happy Stumpfsinn wider das Checkertum


Scooter bedeutet gelebte Rave-Demokratie und H.P. Baxxter ist in großer Gleichmacher, schreibt Julia Lorenz in der siebten Ausgabe von „Verkannte Kunst“.

Seit Mai hatte unser Enfant terrible Linus Volkmann hervorragende Unterstützung an seiner Seite – und seine Hater eine Verschnaufpause: Die Popkolumne, die er seit Anfang 2019 wöchentlich für uns schreibt, schrieb Linus fortan nur noch zweimal pro Monat, im Wechsel übernahm ME-Autorin Julia Lorenz. Die hat Anfang Februar 2020 ihr Zepter leider niederlegen müssen. Zum Glück bleiben uns ihre Texte aber erhalten.

Verkannte Kunst (1): Tokio Hotels „Durch den Monsun“ war ein Aufschrei der Mobbingopfer

Während Linus sich regelmäßig über sogenannte „Verhasste Klassiker“ hermachte, entgegnete Julia ihm mit ihrer Rubrik „Verkannte Kunst“. In der siebten Ausgabe ihrer Kolumne vom 15. August 2019 ging es um überfällige Diversität auf Festivals, die Rückkehr der Vivian Girls, einen Award mit Michael Jacksons Namen und um Scooters Volksmusik ohne Volk.

Verkannte Kunst (6): Ed Sheeran: Konturlos, gehasst – und irrsinnig erfolgreich

Verkannte Kunst (7): Scooter – Volksmusik ohne Volk

Wer den irrwitzigen, langanhaltenden Erfolg von Scooter verstehen will, sollte sich die Folge der Arte-Reihe „Durch die Nacht mit“ anschauen, in der H. P. Baxxter, seit mehr als 25 Jahren das solariumfrische Gesicht der Formation, und Heinz Strunk gemeinsam durch Hamburg streunen: Einen sympathischeren Künstler als Hans-Peter Geerdes hat man in diesem Format selten erlebt. Einen, der trotz Bling-Bling-Prollkettchen und gänzlich unmöglicher Haarfarbe so unaufgeregt, bescheiden und freundlich wirkt, dass man ihn gleichzeitig seinen Sauffreunden und seiner Familie vorstellen könnte.

Verkannte Kunst (4): TicTacToe waren die wahren Pionierinnen, die angeblich SXTN waren

Eben dieses unnachahmliche Zusammenspiel von Volksnähe und Eskapismus begründet die Massenkompatibilität von Scooter. H. P. Baxxter gibt zwar den maßlosen Brüllaffen, der als Kind in einen Kessel Red Bull gefallen ist; den drei-Tage-wachen Duracell-Zeremoniemeister mit schlumpfblauer Aura, ist aber eigentlich: ein großer Gleichmacher. Denn was bei Scooter zuerst über Bord geht, ist der Sinn: Selbst alltägliche Phrasen und Fragen (wohl am ikonischsten: „How much is the fish?“) werden um ihren Gehalt gebracht, bis alles, was von der Sprache bleibt, eine Art debiles Party-Esperanto ist.

Verkannte Kunst (3): blink-182 haben die jugendliche Melodramatik ernst genommen
Scooter bedeutet gelebte Rave-Demokratie, happy Stumpfsinn wider das Checkertum, Extase für alle, die zu unwissend zum Ecstasykaufen sind, weil sie die Dealer vorm Club nicht von den fertigen Sauftouristen unterscheiden können – im Grunde also: Volksmusik ohne Volk.

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Dieser Text erschien zuerst in Folge 30 unserer Popkolumne:

Keychange, Vivian Girls, Missy Elliott, Scooter: Die Popwoche im Rückblick

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