Festival-Guide

Vorschau auf das Berliner Pop-Kultur-Festival: Sei die Flipperkugel!


Das Pop-Kultur-Festival, das vom kommenden Mittwoch bis zum Freitag, 21. bis 23. August, auf dem Gelände der Berliner Kulturbrauerei stattfindet, lädt dazu ein, zwischen den verschiedensten Spielarten, Disziplinen und Perspektiven hin und her zu bouncen. Eine prall gefüllte Veranstaltungs-Tüte, die weit mehr bietet als bloße Unterhaltung.

Wir wollen hier in ohnehin manchmal ziemlich anstrengenden Zeiten der Reizüberflutung bestimmt niemandem ADHS-verdächtige Verhaltensauffälligkeiten in sein übliches Handlungsschema quatschen, aber: Das fünfte Pop-Kultur-Festival in Berlin ist – mindestens genau so wie seine Vorgänger-Veranstaltungen – geradezu dazu prädestiniert, sich in ziemlich kurzer Zeit sehr viel reinzutun, sein Hirn und seine Seele zu füttern.

Weil so viel auf engem Raum geboten wird; weil es mit verschiedensten Disziplinen, Perspektiven, Themen, Spielarten nur so um sich wirft, und weil nur solches Publikum mit sehr dicken Bierflaschenbodengläser-Brillen sich davon nicht dazu anleiten lässt, mit neuen Ideen, Gedanken und Motivationen von dort in die drei anschließenden Nächte zu ziehen.

Das Pop-Kultur will beileibe nicht nur unterhalten (kriegt das meist aber auch ziemlich gut hin), sondern bemüht sich, neue Verbindungen zu schaffen zwischen KünstlerInnen und Publikum, zwischen KünstlerInnen und anderen KünstlerInnen. Das sind zum einen die sogenannten Commissioned Works; schnöde mit „Auftragsarbeiten“ zu übersetzen, stellen sie doch höchst außergewöhnliche Projekte und Kooperationen dar, die dann auch nur auf diesem Festival zu erleben sind.

So wird in diesem Jahr Jens Friebe mit 21 Downbeat, der Hausband des Berliner RambaZamba-Theaters, nichts weniger versuchen, als den erzhochkulturheiligen „Ring der Nibelungen“ in ein einstündiges Pop-Spektakel zu übersetzen. Lisa Morgenstern lässt gemeinsam mit den Bulgarian Voices Berlin die magischen Stimmen fliegen und klettert mit ihnen auf Tonleitern und Taktarten herum, bei denen den meisten schwindlig werden würde.

Mykki Blanco

Die junge feministische Indierock-Heldin Ilgen-Nur (ihr hervorragendes Debütalbum POWER NAP erscheint Ende des Monats) heiratet sich in ihrem sogar räumlich erfahrbaren „Live Through This“-Programm konsequenterweise selbst. Und die ja nicht nur von uns genauso geliebten International Music aus Essen schrauben sich die Big-Band The Dorf aus Dortmund dran, um die Songs unseres Album des Jahres 2018 (DIE BESTEN JAHRE) und weitere Stücke in einen ungeahnten Klangreichtum zu überführen. Wow.

Jenny Wilson

Weitere Commissioned Works stammen von Masha Qrella, Nikko Weidemann, Magic Island & Anatomie Fleur, Janto Djassi Roeesner, ANDRA, KlitClique, Rosaceae; und Max Rieger (Die Nerven), Ralv Milberg (Produzent) und Thomas Zehnle (Wolf Mountains) treffen in ihrem Projekt Jauche aufeinander, um satte sechs Stunden zu improvisieren. An seltsamen, zum Teil fehlerhaften und schwer zu bedienenden Instrumenten und Geräten selbstverständlich. Geht ja immer auch um Herausforderungen und Risiko, dort, wo was passieren soll.

Planningtorock

Im, ähem, normalen Konzertprogramm sind außerdem unter anderem Die Goldenen Zitronen, Anna Calvi, Planningtorock, Perel, Deerhoof, Mykki Blanco, Jenny Wilson, CocoRosie, Shabazz Palaces, Jungstötter, Die Heiterkeit, Shuma, Station 17, Karies, Decibelles, Die Kerzen, Lali Puna, Malonda, Adelle Nqeto, AWA Khiwe, ÄTNA und Oum Shatt zu sehen.

Die über ein Dutzend Spielorte der Kulturbrauerei im Prenzlauer Berg laden aber auch noch dazu ein, Talk-Runden zu verfolgen (u.a. Max Gruber & Max Rieger: „Musik – und warum sie scheiße klingt“, „Rap, Antisemitismus, Identitätspolitik: über Verantwortung im Pop“, „Feministische Kollektive in der Musikwelt“ und auch Stephen Morris von Joy Division/New Order und Mute-Labelchef Daniel Miller talken), sich Filme, Installationen und Ausstellungen anzuschauen und Lesungen beizuwohnen (u.a. Dirk von Lowtzow).

Mehr, ja noch viel mehr, findet sich auf der Homepage des Festivals – nicht zuletzt auch Tickets für die gesamte Veranstaltung oder einzelne Tage.

Oskar Omne