„Wilde Maus“ und Schnappschildkröten: Der Berlinale-Montag in 5 Minuten zusammengefasst


War Josef Haders Regiedebüt der richtige Film für den Wettbewerb der Berlinale? Darüber lässt sich streiten. Und auch darüber, ob jeder Filmemacher denn nun unbedingt ein Statement für oder gegen Donald Trump abgeben muss.

Die Internationalen Berliner Filmfestspiele laufen seit einigen Tagen. Und Filmmüdigkeit scheint sich weder bei Presse, noch beim Publikum einzustellen. Vielleicht auch, weil neben vielen überraschenden Neuentdeckungen mehr oder weniger sichere Publikumslieblinge wie „Trainspotting 2“ und „Wilde Maus“ von Josef Hader ins Programm eingewebt wurden.

me. Movies war in den vergangenen Tagen in den vielen Berlinale-Kinos unterwegs und stellt Euch ausgewählte Filme vom Festival in Form von Kurzkritiken vor. Immerhin ist das Festival für das Publikum geöffnet, die Auswahl fällt angesichts von über 300 Filmen nicht immer leicht.

Gesehen auf der Berlinale 2017:

„Wilde Maus“

Läuft im Wettbewerb des Festivals, was vielleicht das schlechteste ist, was man über das Regiedebüt von Josef Hader sagen kann. Der Kabarettist und Schauspieler aus Österreich hat einen zum Großteil intimen Film über einen Musikkritiker gedreht, der nach Jahrzehnten entlassen wird und vor einem gigantischen Nichts steht. Einprägsamer Satz aus dem Opening: „Ich habe 25 Jahre Musik-Kritiken geschrieben. Ich kann nichts anderes.“

Was er allerdings für eine Weile dann doch gut kann: seiner Frau verheimlichen, dass er arbeitslos geworden ist. Anstatt das Gespräch zu suchen, hängt er tagsüber auf Wiens Prater rum, fährt Achterbahnen und gerät irgendwann an einen zwielichtigen Typen aus seiner Schulzeit. Dazwischen bleibt aber immer noch Zeit, seinen Ex-Chefredakteur, „die deutsche Sau“, zu schikanieren. Was irgendwann bedrohliche Ausmaße annimmt.

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„Wilde Maus“ ist die Definition von Tragikomödie. Und Haders Schritt ins Kino lohnt sich spätestens bei den Bildern, die er zum fast wirklich tragischen Finale aufwartet: Da sitzt er als vermeintlich gescheiterter Spätneustarter in Unterhosen im Schnee, bewaffnet mit einer Flasche Schnaps und einem irren Lächeln. Fehlt nur noch die Konsequenz, um die Zuschauer mit einem flauen Gefühl aus dem Saal zu schicken.

„Mr. Long“

Koproduktion aus Japan, Taiwan, China und Deutschland – fühlt sich auch dementsprechend international an. Ein Killer namens Long aus Taiwan versaut einen Job in Tokio und landet dem Tode nahe in einem japanischen Dorf. Zwischen Baracken wird er von einem kleinen Jungen mit Nahrung und Shirts verpflegt, bis er langsam wieder auf die Beine kommt.

Jetzt die irre, wirklich irre Wendung: Die Dorfbewohner finden heraus, dass Long ein begabter Koch ist und bauen ihm ungefragt einen Nudelstand. Schnappschildkröten nennen sich diese Leute, die zwar freundlich sind, aber einfach nicht loslassen können. Ohne, dass Long ein Wort sagt (er spricht kein Japanisch), hat er plötzlich Geschäft, Häuschen und eine neue Familie.

Szene aus „Mr. Long“: Ein Killer findet eine Familie.

Das Schicksal der Mutter des Jungen, den Long unter seine Fittiche nimmt, lockt irgendwann Gangster in die Kleinstadt. Es kommt zum Showdown, der genauso konstruiert daherkommt wie alle anderen Begegnungen in dem Film. Aber wer sagt, dass Kino keine unglaubwürdigen Fügungen des Schicksals mehr zeigen darf? Niemand, richtig. Deshalb ist der sehr geradlinige Plot nicht das Problem. Eher der Umstand, dass dieser Wettbewerbs-Film nur aus guten Einzelszenen mit viel Füllmaterial besteht.

„Call Me By Your Name“

Der Film erzählt nicht nur von einem langen, ereignisreichen Sommer in Norditalien. Er fühlt sich auch wie einer an. 1983: Der 17 Jahre alte Elio (Timothée Chalamet) langweilt sich auf dem Ferienanwesen seiner Eltern, alljährlich verbringt die Familie hier einige Wochen. Sein Vater nutzt die Zeit, um über antike Statuen zu forschen und lädt sich als Hilfe regelmäßig einen Gast ein.

Sufjan Stevens spielt Film-Soundtrack für eine „gay love story“ ein
Im Jahr der Erzählung kommt Oliver (Armie Hammer), ein amerikanischer Checker, der nicht nur den Eltern, sondern auch den Mädels im Dorf gefällt. Und irgendwann auch Elio, der durch Oliver entdeckt, dass er Gefühle für Männer hegt. Was Regisseur Luca Guadagnino um diese eigentlich simple Prämisse herum aufbaut, ist unverschämt gutes Indie-Kino. „Call Me By Your Name“ badet nicht in Klischees, was auch daran liegt, dass seine Charaktere allesamt hoch gebildet sind. Statt Plattitüden folgen also interessante Gespräche über Kunst, die eigenen Körper und die Probleme, die die Liebe zwischen den Männern hervorrufen kann.

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Nicht nur deshalb wurde der Film beim zuletzt beendeten Sundance Filmfestival als die Entdeckung gefeiert und nun auch bei der Berlinale bejubelt, wo „Call Me By Your Name“ leider nicht im Wettbewerb antreten durfte. Neben geschliffenen Dialogen und vielen intimen Szenen, die Hauptdarsteller Chalamet bei dem zeigen, was er allein in seinem Zimmer treibt, überträgt das Drama das gesamte Setting in den Kinosaal. Die Hitze des italienischen Sommers, den Wunsch, den ganzen Tag ohne Shirt rumzulaufen. Und die unstillbare Lust, die daraus irgendwann entstehen kann.

Nicht gesehen:

Reaktionen auf Donald Trump bei der Pressekonferenz von „Mr. Long“: Regisseur Sabu und seine Darsteller stellten sich nach dem Screening des Films der Presse. Lief eigentlich alles gut, bis eine Journalistin nun unbedingt „irgendwas“ zu Donald Trump wissen wollte. Und dass, obwohl „Mr. Long“ nun dankenswerter Weise mal überhaupt nichts mit dessen Politik zu tun hat. Die Reaktion der restlichen Journalisten: ein Seufzen. Die der Filmemacher: beharrliches Schweigen. Und die des Moderators bringt uns zum…

…aufgeschnappten Satz des Tages:

„Es ist doch schön, wenn Donald Trump irgendwo mal nicht das Thema ist.“

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