Aus der Musikexpress-Ausgabe Januar 1990: Grace Jones – Slave to the image


So geht es nun mal, wenn die eigene Musik von anderen gemacht wird. Auch wenn Grace Jones ihren Model-Job an den Nagel gehängt hat, gilt sie im Musikgeschäft immer noch als halbe Portion. Welche unangenehmen Folgen das hat, schilderte sie ME/Sounds-Mitarbeiter Rolf Lenz

Grace Jones ist auch nicht mehr das, was sie mal war. Ihre reggae-disco-wavigen Platten aus den frühen 80ern – Alben wie WARM LEATHERETTE oder NIGHTCLUBBING – waren noch echte Ereignisse, die der allgemeinen Tanzwut monatelang neue Beine machten. Das gilt auch noch für das tönende Denkmal, das Trevor Hörn der schwarzen Diva mit SLAVE TO THE RHYTHM setzte; aber spätestens seit INSIDE STORY (’86) ist der alte Saft raus.

Frau Jones sieht das natürlich etwas anders – vor allem kann sie nicht fassen, daß seit INSIDE STORY schon wieder drei Jahre vergangen sein sollen. „Wieso zähle ich bloß zwei Jahre?!“, will sie lachend wissen. „Irgendwo fehlt mir ein Jahr …“

Was soll ich dazu sagen, außer daß auf dem AJbum-Cover deutlich die Zahl 1986 zu lesen ist?

„Naja“, versucht sie sich rauszureden, „es kommt ja auch noch drauf an, ob’s im Frühjahr oder im Herbst war… Verstehst du, was ich meine?“ Nee.

„Schau, wenn’s im Herbst ’86 war, dann ist es jetzt erst zwei Jahre her. “ Ach ja?

„Nein. Naaaiiin! Haha, bru-hahahaa. Das sind ja drei! Oh, Scheiße! Mein Gott, ich rechne einfach nicht in Jahren.“

Aha. Trotzdem bleibt die Frage, was am neuen Jones-Oeuvre so lange gedauert hat, und warum es noch weniger an die gute alte Grace erinnert als sein Vorgänger. Mit Ausnahme einer Nummer („On My Way“) könnte die Musik auf BULLETPROOF HEART ebenso gut irgendwelche tittenschwenkenden Italienerinnen begleiten.

Auch in diesem Punkt ist die Künstlerin verständlicherweise anderer Ansicht, muß aber einräumen, daß die neuen Songs in ihren ursprünglichen Fassungen vollkommen anders geklungen haben: Kaum zu glauben, aber eigentlich war das alles mal Reggae. Dummerweise will Graces amerikanische Plattenfirma Capitol mit Reggae nichts am Hut haben – „sowas veröffentlichen wir grundsätzlich nicht“, erklärte man der Jamaikanerin. Also wurde remixed, neu produziert, umgeschrieben und gestritten, was das Zeug hielt – slave to the record company…

Das Cover nennt neben Grace fünf weitere Produzenten, die teils gleichzeitig, teils nacheinander an den Songs herumgewurstelt haben. „Mit der Platte wollten sie mich wirklich fertigmachen“, kommentiert Grace und knetet ihren verspannten Nacken, der mit gefährlich lauten Knacksern ein- und ausrastet: Krk! „Wir haben uns dauernd gestritten, darum hat’s auch letztlich so lange gedauert. Das Album hätte schon vor einem Jahr herauskommen können, aber du hättest hören sollen, was sie mit ein paar von den Songs gemacht hatten!“Krk! „,Driving Satisfaction‘ war überhaupt nicht wiederzuerkennen. Schließlich wollten sie auch noch, daß ich ,Crack Attack‘ völlig umschreibe, weil ihnen der Text nicht paßte…“Krk! Guter Witz am Rande: Eigentlich sollte das Album NO COMPROMISE heißen – ein Titel, der Grace unter den gegebenen Umständen dann doch etwas weit hergeholt schien. „Also nee“, schüttelt sie den Kopf (krk!), „ich wäre viel lieber als Europäerin bei der EMI unter Vertrag statt mich dauernd mit den Amerikanern herumzunerven.“

Sie würde in Europa auch gern live auftreten, solo in Diskotheken oder auf großen Tanz-Parties. Krk! Wenn das mit dem Nacken so weitergeht, liegt gleich ihr Kopf auf der Tischplatte. „Ja, ich weiß auch nicht, was das ist“, zuckt sie die Achseln und verlangt nach einem Arzt. „Irgendwie bin ich fertig, langsam setzt wohl der Verfall ein.“

Na, na, mit sowas würde ich nicht scherzen. Lady. Zumal Grace. nachdem die Platte endlich in den Läden steht, auch wieder vor die Kamera will: demnächst ein Film in Kanada, dann vielleicht ein Projekt mit Stevie Wonder, „und Batman II, wenn’s klappt! Als Catwoman!!“ Krk!

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