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Kaufanleitung: Die wichtigsten Alben von Grace Jones im Ranking

Grace Jones, die Ikone: Wir werfen einen Blick auf das Werk der heute 76-Jährigen.


Sie ist Schauspielerin, Model und Stil-Ikone. Durch ihr androgynes Erscheinungsbild hat sie schon vor Jahrzehnten die Geschlechternormen infrage gestellt. Und als Sängerin definierte Grace Jones mit ihrem Mix aus R’n’B, Disco, Reggae und New Wave den Klang der Achtzigerjahre. Sie hat Grenzen verschoben und als Gesamtkunstwerk Image, Mode, Stil und Musik miteinander verschmolzen und Generationen von Künstler:­innen inspiriert. Wir werfen einen Blick auf ihr Schaffen.

Haute Couture

NIGHTCLUBBING (1981)

1981 lieferte Grace Jones einen kleinen Vorgeschmack auf das noch junge Jahrzehnt. Die musikalische Zukunft ist elektronisch und eiskalt. Auf ihrem fünften Album NIGHTCLUBBING präsentiert die Sängerin eine Reihe von radikalen Umdeutungen von Fremdkompositionen (Iggy Pop, Astor Piazzola, Sting, Flash And The Pan). In der minimalistischen, elektronischen Soundästhetik finden Dub, Reggae, Disco, Pop und New Wave kongenial zueinander. Mit dabei: Sly Dunbar und Robbie Shakespeare, die meistbeschäftigte Reggae-Rhythmusgruppe. NIGHTCLUBBING ist das zweite Album der „Compass Point Trilogy“, die auf den Bahamas im Studio des Island-Label-Gründers Chris Blackwell aufgenommen wurde.

Sechs Sterne

ISLAND LIFE (1985)

Eine Compilation, die nicht nur, aber auch wegen des ikonischen Coverfotos oft fälschlicherweise für ein reguläres Album von Grace Jones gehalten wird. Das viel zitierte und imitierte Motiv hat Jean-Paul Goude aufgenommen, ihr damaliger Lebensgefährte. ISLAND LIFE bricht das Schaffen der Künstlerin der Jahre 1977 bis 1985 auf zehn Songs herunter. Mit Ausnahme von MUSE ist mindestens ein Song von jedem ihrer Alben, die auf dem Island-Label veröffentlicht wurden, vertreten. Der Vorteil: Man bekommt tatsächlich das Beste ihrer nicht immer ganz geschmackssicheren früheren Alben zu hören.

Fünf Sterne

HURRICANE (2008)

In der Welt von Grace Jones laufen die Uhren anders, marktstrategische Veröffentlichungszyklen sind ihre Sache nicht. 19 Jahre nach ihrem letzten Werk erscheint HURRICANE – mit einer seltsam anmutenden Mischung aus Gastmusiker:innen, darunter Brian Eno, Tricky, Indie-Darling Adam Green und erneut Sly und Robbie. Die autobiografischen Songs verschieben ihr Androiden-Image in Richtung Mensch. Die Mixtur aus TripHop, R’n’B, digitalem Dub und Industrial-Anklängen wurde vor 17 Jahren als zeitlos erachtet und passte somit perfekt in die damalige Zeit.

Fünfeinhalb Sterne

Prêt-à-porter

SLAVE TO THE RHYTHM (1985)

Auf diesem Album klingt Grace Jones am ehesten so, wie sich Nachgeborene vermutlich die Musik der Achtziger vorstellen. Das könnte am Produzenten Trevor Horn liegen, der damals für zahlreiche Groß- und Schandtaten verantwortlich war. SLAVE TO THE RHYTHM ist ein Konzeptwerk mit teilweise extremen Variationen eines einzigen Songs: „Slave To The Rhythm“ – arrangiert zwischen R’n’B, Funk, New Age und Kakophonie. Dazu erzählt Jones kurze Geschichten aus ihrem Leben. Dennoch: nach NIGHTCLUBBING ihr bestverkauftes Album.

Viereinhalb Sterne

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WARM LEATHERETTE (1980)

1980 wirkt der eher biedere Disco-Sound ihrer ersten drei Alben bereits angejahrt. Elektronik, New Wave und Post Punk bestimmen den Sound der frühen Achtziger, von Disco will niemand mehr etwas wissen. Zusammen mit ihrem neuen Produzenten Chris Blackwell entwickelt Jones aus diesen neuen Einflüssen einen eigenwilligen Sound, den sie ein Jahr später auf NIGHTCLUBBING perfektionieren wird. Mute-Labelchef Daniel Miller dürfte es gefreut haben, dass ihre Version seines Synth-Pop-Songs „Warm Leatherette“ für Bewegung auf seinem Konto sorgte.

Viereinhalb Sterne

INSIDE STORY (1986)

Erneut arbeitet Jones mit einem der großen Mainstream-Produzenten der Achtzigerjahre zusammen: Nile Rodgers, Gitarrist der Disco-Band Chic. Der sorgt dafür, dass das musikalische Backing auf ihrem achten Album gefälliger ausfällt, wogegen Grace Jones mutig ansingt. Obwohl die Zusammenarbeit nicht ohne Streitigkeiten über die musikalische Ausrichtung ablief, schreibt Jones in ihrer Autobiografie: „Ich höre mir nicht alle meine Platten an, aber diese spiele ich sehr oft, weil es interessant zu hören ist, was Nile dachte.“

Vier Sterne

Konfektion

PORTFOLIO (1977)

Der Produzent Tom Moulton gilt als geistiger Vater des modernen Remixes und war auch am Erfolg der 12-Inch-Single nicht ganz unschuldig. Aber als Produzent von Jones’ Debüt bedient er sich eines Streicher-verzierten Disco-Sounds, der spätestens mit Giorgio Moroders vollelektronischer Produktion von Donna Summers „I Feel Love“ als antiquiert gilt. Man kann auf PORTFOLIO nur erahnen, welches unausgeschöpfte Potenzial in der Sängerin steckt, auch wenn mit dem Edith-Piaf-Cover „La Vie en rose“ und mit „I Need A Man“ zwei unsterbliche Jones-Songs enthalten sind.

Drei Sterne

FAME (1978)

Wie auf PORTFOLIO und dem folgenden Album hat Tom Moulton die Songs auf der ersten Seite der LP ohne Übergänge gemixt. Diese frühe Form des DJ-Mixes auf Tonträger ist der Idee des Produzenten geschuldet, ein bisschen Studio-54-Vibe in die globalen Wohnzimmer zu transportieren. Aber dieser Plan allein trägt kein ganzes Album. Musikalisch ist FAME eine Fortsetzung der leidlich erfolgreichen Disco-Formel. Und Jones fungiert hier lediglich als Erfüllungsgehilfin für die Vorstellungen des Produzenten, dem es zwar nicht an musikalischen Einfällen mangelt, die aber an der Persönlichkeit der Sängerin vorbeigehen.

Drei Sterne

MUSE (1979)

Wie wenig Jones im Rückblick ihre Arbeiten mit dem Produzenten Tom Moulton schätzt, hat sie mehrfach in Interviews zu Protokoll gegeben. Aber auch die Re-Release-Historie von MUSE, der dritten und letzten Zusammenarbeit mit Moulton, spricht Bände. Das Album ist jahrzehntelang vergriffen, bevor es in den retromanischen Zehnerjahren schließlich doch wiederveröffentlicht wird. Das Rezept bleibt gleich. Die Stimme von Grace Jones wird in ein Disco-Umfeld gesetzt, das noch eine Spur formelhafter wirkt als auf den beiden Vorgängern.

Drei Sterne

Discountware

LIVING MY LIFE (1982)

Das perfekte Sounddesign auf LIVING MY LIFE täuscht nicht darüber hinweg, dass das letzte Album der Compass-Point-Trilogie eine halbgare Angelegenheit ist. Die Arrangements der Songs und die Produktion des Albums ver­fügen durchaus über die kühle Ästhetik des Meisterwerks NIGHTCLUBBING aus dem Vorjahr. Dabei entsteht allerdings der Eindruck eines bloßen Pastiche, bei der eine Sammlung mittelmäßiger Songs produktionstechnisch schön herausgeputzt wird, um im Licht der grellen Achtzigerjahre zu strahlen. Wahrscheinlich sieht das Grace Jones ähnlich. Sie widmet sich anschließend drei Jahre lang ausschließlich ihrer Schauspielkarriere.

Zweieinhalb Sterne

BULLETPROOF HEART (1989)

Außer dem ikonischen Coverfoto bleibt nicht viel Grace Jones übrig auf ihrem neunten Album. Die Produktion klingt sehr nach Electro Funk, einem HipHop-Subgenre, das knapp zehn Jahre vorher das große, neue Ding gewesen ist. Das Soundbild von BULLETPROOF HEART ist hoffnungslos in der Zeit seines Entstehens verankert und bis heute noch von keinem 80s-Revivalisten für cool erklärt worden. Es gibt keinen halbwegs memorablen Song auf dem Album, keinen Hit, der sich für ein „Best Of Grace Jones“ empfehlen würde. Vielleicht deswegen sollte die Künstlerin eine Pause von 19 Jahren einlegen, bis sie ihr nächstes Album veröffentlichte.

Zwei Sterne