Adam Green: Sixes & Sevens


Bald ein Jahr alt ist Adam Greens fünftes Soloalbum SIXES & SEVENS nun - Zeit, es einmal wieder heraus- zukramen und einer gründlichen Prüfung zu unterziehen. Dachte sich ME-Leser Kai Wichelmann. Hier ist sein Resümee.

Adam Green ist in erster Linie ein Pop-Wissenschaftler. Sein letztes Album JACKET FULL OF DANGER stellte die Quintessenz der vorangegangen Alben dar, bei gleichzeitiger Weiter- entwicklung durch psychedelische Elemente. SIXES & SEVENS ist nun in vielerlei Hinsicht die endgültige Emanzipation des Adam Green. Noch experimenteller, noch abwechslungsreicher und trotzdem stehen die Songs im Kern auf einem felsenfesten Popsockel. Green hat wieder dazugelernt und verwebt nun gekonnt auch Gospelelemente in seine immer noch kurzen Lieder.„Festival Song“ beginnt kraftvoll und sehr amerikanisch, da hat jemand viel Springsteen gehört. Und auch „Morning after Midnight“, gleichzeitig erste Single, mit dem lustigen oder auch eitel anmutenden Video, je nach Sicht des Betrachters, zielt in dieselbe Kerbe. In „You Get So Lucky“ erhält die Panflöte Einzug in den Popkosmus des Adam Green, bei gleichzeitiger Verwendung der Vaudevilleinstrumentierung. Bei allen musikalischen Eingriffen, die Green in schierer Experimentierwut an seinen Songs vornimmt, verkommt das ganze nie zum Bombast, es sind Songs akribisch und popwissenschaftlich aufgearbeitet, nichts ist zufällig, und genau das ist seit Jahren die unverwechselbare und gleichzeitig genialistische Eigenschaft von Adam Green. Ein Popkünstler, der nie klammert und der es schafft, jedwede musikalische Inspirationsquelle aufzugreifen und in ein seriöses Zwei-Minutenstück zu überführen.Auf SIXES & SEVENS zeigt sich nun auch wieder der vermehrte Hang zum Dadaismus, in JACKET FULL OF DANGER doch eher bemüht den gereiften Crooner mit der sonoren Elvisstimme zu mimen, verlässt er die ernsten Bahnen nun wieder öfter und singt Zeilen wie diese: „Tom and Jerry won’t you be my man“. Man mag dies komisch oder auch einfach dämlich finden und es als allzu gewollte Attitüde ansehen, doch leistet Green dadurch auch einen wichtigen popkulturellen Beitrag. Was ist Kunst und wie definiert sie sich? Fragen, die wichtig sind in Zeiten, in denen sich vermeintliche Popsternchen Verhaltensmanierismen aneignen, die allgemein als funktionabel gelten, aber weder brauchbar noch authentisch sind. Green wählt stets den Weg zur Andersartigkeit. Bei allem Blick nach vorn wendet er sich auch, wenn auch in abgewandelter Form, wieder dem einen oder anderen Lofi-Experiment seiner künstlerischen Frühphase zu. In „That Sounds Like A Pony“ hastet Green durch eine Kurzgeschichte unterlegt mit Soundcollagen aus dem Weltall.Die intensivsten Momente kreiert Adam Green auch auf seinem neuen Album immer dann, wenn er auf der Akustikklampfe eine in sich simple Melodie zupft und sie um eine Streichermelodie ergänzt. „It’s A Fine“ gerät dadurch schlichtweg anrührend und auch das nachfolgende „Homelife“ zeugt von einer musikalischen Brillanz, die Green in Vorvollendung zeigt. Zwischen diesen zwei Songs ist man geneigt zu sagen, dass er nie besser war. Im hinteren Teil der Platte, die diesmal 20 Songs beinhaltet, offenbart sich seine neue Seite, die seinen musikalischen Horizont erneut um ein paar Nuancen erweitert. „Leaky Flash“ kommt zunächst gänzlich ohne Instrumentierung aus, dann setzt ein Gospelchor ein und eine psycho-eske Melodie erklingt. In „Bed of Prayer“ wendet sich Green der uramerikanischen Folklore zu und in „Sticky Ricky“ erzählt er ein Schauermärchen. Oscarreif. Nur gelegentlich wünscht man sich zwischen all den unterschiedlichen Stilen die hier zum Tragen kommen, eine größere Geschlossenheit und Homogenität. Die Idee des zusammenhängenden Songzyklus wie beispielsweise auf FRIENDS OF MINE kam dem New Yorker diesmal nicht in den Sinn, was mitunter für Zerfahrenheit sorgt.Trotzdem ist SIXES & SEVENS abermals ein songewordenes Sammelsurium der Möglichkeiten im Pop. Viel mehr kann Adam Green nicht mehr leisten.

Kai Wichelmann – 22.01.2009