The Pogues – London, Town & Country Club


Von ihrem ersten Indie-Album 1984 bis zur jüngsten LP IF I SHOULD FALL FROM GRACE WITH GOD sind die Pogues immer Lieblinge der Kritiker gewesen. Zum einen wohl deswegen, weil sie im Zeitalter der Stock.

Aitken & Watermans Musik zum Antassen machen: zum anderen, weil sie genausoviel saufen wie die Journalisten.

Das hat allerdings auch zu falschen Schlüssen geführt: zu der Annahme etwa, die Pogues seien nichts weiter als irische Säufer, die zu allem Überfluß auch noch Erfolg haben. Tatsächlich sind nur drei der acht Pogues Iren: selbst Frontmann Shane MacGowan, der aussieht wie eine Figur aus einem James Joyce-Roman, lebt seit seinem siebten Lebensjahr in London.

Natürlich ist der irische Einfluß in vielen Songs vorhanden, aber das sind andere Elemente auch: Rock und Punk. seit kurzem auch New Yorker Jazz, spanischer Flamen«) und arabische Klänge spielen für den Pogues-Sound eine kaum weniger wichtige Rolle.

Heute, am Vorabend des irischen St. Patrick-Tages, ist die Halle prallgefüllt mit feiernden Menschen, die eine fast weihnachtliche Stimmung verbreiten. Schon die ersten Töne lösen Fröhlichkeit aus: Geräusche von Mandoline. Pfeife. Akkordeon, Banjo und den gängigen Rock-Instrumenten. Shane MaeGowan, die tragbare Trommel um den Hals, nuschelt mit zerschlissener Stimme unverständliche Worte ins Mikrofon, deren Bedeutung höchstens fühlbar ist. Für das wild jazzige Instrumental „Metropolis“, das sicher mehr New Yorker als Dubliner Blut in den Adern hat, erscheinen Bläser auf der Bühne, um dann auch „Bottle Of Smoke“, „Lullaby Of London“ und „Rainy Night in Soho“ zu untermalen. Songs, die durch MacGowans Gesang so hoffnungslos romantisch klingen, daß die sentimental veranlagten Zuhörer bereits die Tempos zücken. Spätestens bei „Streets Of Sorrow“ sind allerdings auch die Gefühlsmuffel hinter ihren Taschentüchern verschwunden. Die ergreifenden Ballade, die den legendären „Sechs aus Birmingham“ gewidmet ist (sechs Iren, die in England als Terroristen inhaftiert wurden, aber bis heute ihre Unschuld beteuern, bleibt aber an diesem Abend die ein/ige Erwähnung irischer Konflikte. Anschließend kommt Kirsty MacColl, Tochter eines irischen Folk-Sängers, für das herzerweichende „A Fairytale Of New York“ auf die Bühne. Steve Earle, ein großer Mann mit einer noch größeren Gitarre, erscheint, um „Johnny Come Latelv“ anzustimmen. Bei „Irish Rover“ steht eine inzwischen 20köpfige Combo, inklusive Earle, MacColl sowie Ex-Clash Joe Strummer. auf der Bühne und steigert sich geradezu in einen Spielrausch.

Ein rundum gelungener und erfrischender Abend. Die Pogues vollziehen keine ideologisch sanktionierte Totenwache an einer längst verstorbenen Musik; sie behandeln irische Folkmusik nicht wie einen Leichnam, den man aufbahrt und verehrt. Ihre Musik hat strahlende Augen und bläst dir eine Whiskey-Fahne geradewegs ins Gesicht.