Marilyn Manson


DIESER MANN IST GEFÄHRLICH. SEHR GEFÄHRLICH. Eine ernsthafte Bedrohung für Leib und Leben. Ein wandelnder Anschlag auf den Charakter und das seelische Wohl seiner jugendlichen Gefolgschaft. Glaubt zumindest die American Family Association, kurz AFA, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die amerikanische Nation vor den mannigfaltigen Gefahren zu schützen, die da draußen so lauern. Unter anderem eben auch vor der schädlichen Rockmusik, insbesondere vor Marilyn Manson. Und das zurecht, schenkt man einem Mitarbeiter dieses Vereins Glauben, der bei einem Konzert des Höllenfürsten in Texas mit eigenen Augen gesehen haben will, wie dieser auf offener Bühne mit einen Hund verkehrte. Das Publikum sei gezielt unter Drogen gesetzt worden, viele hätten sich die Kleider vom Leib gerissen. Die Bandmitglieder hätten miteinander Sex, während Manson eine satanische Messe gehalten habe. Wow. That’s entertainment. Von alldem ist in der „Großen Freiheit“ nichts, aber auch gar nichts, zu bemerken. Schade eigentlich. Da muß der Leibhaftige wohl einen seiner vielen Doppelgänger vorbeigeschickt haben, die’s nicht so draufhaben wie ihr Chef. Oder jemandem sind hier ein paar Gäule durchgegangen. Genauso wie den Leuten, die allen Ernstes behaupten, Herr Manson habe sich die unteren beiden Rippenbögen herausoperieren lassen, um sich selbst besser einen blasen zu können. Oder die Stein und Bein schwören, Manson habein seiner Jugend als Schauspieler gearbeitet. Er hätte die Figur des Paul Pfeiffer (der jüdische Freund von Kevin Arnold aus der Serie „Wunderbare Jahre“) verkörpert. Ja, klar. Schwer zu sagen, welche Vorstellung da nun bizarrer anmutet. In Hamburg berichtet der Antichrist bestenfalls, wie er sich mit Gott über Drogen unterhalten habe. Nimmt dann einen Schluck aus der Evianf!)-Flasche und singt „I Don’t Like The Drugs.The Drugs Like Me“. Im Publikum reicht’s stellenweise immerhin für eine Camel Light. Alles sehr verwegen. Um nicht zu sagen infernalisch. Musikalisch hingegen geht im Gegensatz zu früheren Auftritten – dem gloriosen Album „Mechanical Animals“sei Dank-so einiges. Manson und seine Teufelsbrut stellen wirklich das etwas härtere Brett in die „Große Freiheit“. Wo bitteschön gibt’s so fette Gitarrenverstärker? Bei der US Army? Da läßt sich natürlich eine gehaltvolle „Dope Show“ zelebrieren und mit „Rock Is Dead“ der Songtitel gleich ad absurdum führen. Dazu mimt Manson den bösen Rocker: Hand im Schritt, Mikro im Gesäß. Nackter Oberkörper, sexy Federboa, kniehohe silberne Plateaustiefel, Lurexhose, G-String drunter. Die Schminke läuft ihm über das häßliche Gesicht. Seine Vasallen sehen nicht viel furchterregender aus. Bassist Twiggy Ramirez im lila Abendkleid sorgt da als amerikanische Antwort auf Hui-Buh, das Schloßgespenst, schon für den optischen Höhepunkt der Show. Befremdlicher wirkt höchstens noch der Keyboarder, dem man aus nicht nachvollziehbaren Gründen den Ständer seines Instruments mit Gaffertape ans Bein geklebt hat. Armer Kerl. Aber eigentlich sollte man ja zufrieden sein. Denn immerhin fand das Konzert in Hamburg ja statt. Im Gegensatz zum Münchner Auftritt, den Marilyn zweieinhalb Stunden vor Beginn wegen „Krankheit“ absagte. Fällt das nächste Mal Eric Clapton wegen „Blues“ aus? Wie dem auch sei. In einen Ort der Finsternis konnte Mephisto Manson auch die „Große Freiheit“ nicht verwandeln. Zumal noch während der Zugabe „Beautiful People“ die Hallenbeleuchtung anging.