Alice Cooper


Es konnte für Alice Cooper und sein Heimspiel in Detroits vollbesetzter Joe Louis Arena keinen passenderen Tag geben. Halloween, das Fest der Poltergeister und Kürbisse. Geisterstunde …

Pünktlich um viertel nach Acht erklomm dann der Fürst der Finsternis die Bühne, jene bizarre Mischung aus Zentralfriedhof, Gruft und Gruserkabinett. Hier und da hingen Körperteile in der Dekoration. Unterleib, Arme, Beine von bemitleidenswerten Schaufensterpuppen. Die Cooper-Truppe — namentlich der Rambo-Gitarrist Kane Roberts (Ig), Devlin (g), Ken Mary (dr), Kip Winger (b), Paul Horrorwitz (keys) — hatte man auf den podestartig aufgetürmten Bauten untergebracht, damit Alice genügend Platz für seine makabren Spielchen hatte. Da stand er also, der 41jährige Vincent Furnier alias Alice Cooper, ein wandelnder Alptraum in I schwarzem Leder und knallrotem Sackschutz, Schlangenküsser, Puppenzerstecher. eine durch und durch negative Anti-Figur, die Amerikas seichter McDonalds-Mentalität etwas dunkle Tiefe gibt. Schwarze Schminke um die Augen, die Boa um den Hals und wildes Selbst-bewußtsein zur Show tragend.

Die 20000 in der ausverkauften Arena begrüßten den Horrorknaben mit großem Hallo — und der ließ sich mit „Welcome To My Nightmare Part Two“ nicht lumpen. Er spießte nette kleine Püppchen auf riesige Säbel, kramte seine Boa hervor, ließ klebrig grüne Monster an seinen Beinen hochkriechen und machte aus der Bühne ein entfesseltes, von allen bösen Geistern heimgesuchtes Kinderzimmer.

Was Amerikaner amüsiert, entsetzt Europäer. Je geschmackloser die Spaße, um so lauter das Gebrüll. Mord und Totschlag. Sado-Maso in allen Spielarten, die Krankenschwester als Peinigerin — noch der wüsteste Gag wird im Land der unbegrenzten Möglichkeiten als Entertainment begriffen. Höhepunkt dieses an alten B-Movies geschulten Gruselkabinetts ist die Exekution. Aber selbst die Vernichtung der eigenen Existenz degeneriert hier zum blutigen Kasperletheater. Cooper schleppt sich zu den Brachial-Klängen seiner Band zur Guillotine, und verliert — „/ love ihe death“ lallend und tricktechnisch verblüffend echt gemacht — seinen Kopf. Eine böse weißgekleidete Sirene produziert seinen Modellschädel aus dem Trog — und während sie ihm den letzten Kuß aufdrückt, erbricht er schönes ketchuprotes Blut über sie. Todesbesessenheit als Gegenstück zu dem ewig sonnigen, ewig wettbewerbsfreudigen „American Way Of Life“ – eine Ästhetik des Häßlichen?

Cooper bringt’s zweifellos sehr überzeugend. Im weißen Frack ersteht er stockschwingend und quicklebendig wieder auf. läßt in seinem von Michael Wagener sauber gemischten „Best Of“-Programm keinen Hit aus („School’s Out“, „No More Mr. Nice Guy“, „Hello, Hooray“, „Under My Wheels“…) und schlurft als guter Amerikaner zusehlechterletzt auch mit dem Star Spangled Banner über die Bretter.