Alice Cooper


Etwas hüftsteif entsteigt der M.C. Horror dem Schlund eines überdimensionalen Totenkopfs, um 6.000 erwartungsvolle Berliner das Fürchten zu lehren. Die Peitschenprügel, die er dem Mikroständer zum brachialen Opener „Under My Wheels“ verabreicht, sind noch ein vergleichsweise harmloser Beginn. Gruselige Requisiten spielen in der Show des Finstermanns nun mal eine tragende Rolle: Knochen-Krükke, Baby(puppen)kopf oder Riesenschlange — jeder Song hat seine Accessoires.

Der Totenschädel bildet zusammen mit seinen zwei Skelett-Fäusten den Bühnenaufbau. Die Linke umfaßt Keyboarder Derek Sherinian, die Rechte Trommler Eric Singer. Klar, daß es auch musikalisch entsprechend knochenhart zugeht. Singer, ein ungemein wuchtiger Schlagmann, ist im Team mit Grag Smith (Baß) für das Rhythmus-Gerippe zuständig, während Pete Freezin“ und Stef Burns die passenden Akkorde aus ihren Sechs-Draht-Brettern hämmern.

Anstatt seine Zuschauer auf einen kollektiven Horror-Trip zu schicken, setzt Alice „91 auf grellen Slapstick und Hollywood-Kitsch. Am schauerlichsten wird die Show noch, als eine blitzende Fotografin dem 42jährigen Kinderschreck nachstellt. Selbst zwei bärenstarke Roadies können sie nicht bremsen — doch das bedeutet ihr Todesurteil.

Das martialische „Feed My Frankenstein“ untermalt die Hinrichtung der dreisten Papparazza. Alice höchstpersönlich verabreicht ihr den tödlichen Elektro-Schock — und das bedauernswerte, leblose Opfer schwebt auf einer Bahre gen Hallendecke.

Als sie sich etwas später wieder senkt, hat sich die Dame in eine Stoffpuppe verwandelt, die der blutrünstige Schlächter auf der Bühne hin- und herschleudert und ihr, oh Schauder, „Cold Ethel“ mitten ins Gesicht singt.

Rein stimmlich entpuppt sich der Grusel-Guru als ausgesprochen souverän, die alten Hits wie beispielsweise „Eighteen“ oder „No More Mr. Nice Guy“ klingen nach Garage wie in alten Zeiten — und auch bei den neueren Titeln der eher melodiösen Alben „Trash“ und „Hey Stoopid“ trifft er stets den richtigen Ton. Hervorragend gelungen auch die Sequenz, in der Cooper durch eine Leinwand schlüpft, um auf der anderen Seite recht eindrucksvoll als Filmstar mit dem Tode zu ringen.

Abstriche gibt’s aber trotzdem: Die „Special effects“ der Cooper-Show bewegen sich auf einem Niveau, das mittlerweile selbst zehnjährige TV-Zuschauer nicht mehr erschrecken kann. Profilierungssüchtige Provinzpolitiker (wie die in Nürnberg, die wieder mal die Jugend schützen und die Show verbieten wollten) haben sich inzwischen endgültig als weltfremde Deppen disqualifiziert.

Die mit Abstand grausligste Szene allerdings folgt bei der Zugabe „Elected“: Alice Cooper schlüpft in ein Trikot der Nationalmannschaft und schwenkt die Deutschlandfahne. Dieser Mann ekelt sich doch wirklich vor gar nichts…