Allman Brothers Band – Outlaws von eigenen Gnaden


Zum Allman Brothers Konzert/Interview ging ich mit sehr gemischten Gefühlen, denn ein Freund, der die Band in L.A. gesehen hatte, sagte, sie sei totlangweilig und allgemein munkelte man in Insiderkreisen, daß die Allmans, wie manch andere Supergruppe, nur noch zum Kohlemachen im Geschäft seine.

Und wahrhaftig war ihre Bühnenshow obercool, und man hatte manchmal den Eindruck, jede Bewegung sei ihnen zu anstrengend. Dazu beigetragen hat sicher auch die sterile Atmosphäre des Hamburger CCH, in dem auch die Ordner meinen, jegliche Bewegung im Publikum im Keim ersticken zu müssen. Gegen Ende des Gigs, als die nach vorne drängenden Fans nicht mehr aufzuhalten waren, lockerte sich die Atmosphäre, und die Band begann, ein wenig Leben auf die Bühne zu bringen. Zum Live-Repertoire gehörten diesmal neben einigen Stücken der neuen LP („Angeline“, „Mystery Woman“) hauptsächlich die altbewährten Nummern wie z.B. „Jessica“. Musikalisch und soundmäßig war natürlich alles perfekt – vielleicht schon zu perfekt. Das dreißigminütige Schlagzeugsolo war zwar gut, doch viel zu lang und „Ramblin“ Man“ als letzte Zugabe ein Genuß.

Nach dem Konzert fand ein Empfang statt und dort sollte zwischendurch das Interview laufen. Eigentlich wollte ich Dickey Betts vors Mikrophon bekommen, doch der war krank, und Gregg Allman war so breit, daß er kaum noch aus den Augen gucken konnte. So waren Drummer Butch Trucks, der seit den Anfangstagen 1969 dabei ist, und Baßmann David Goldflies, der von Great Southern kam, meine Gesprächspartner.

Butch ist genau der Tap, wie man ihn aus abertausend Western kennt: mittelgroß, kräftig, Hakennase, großer Hut und sehr cool. David hingegen ähnelt eher einem ostfriesischen Oberschüler; schmächtig, glatte, blonde, schulterlange Haare und helle Stimme. Auf jeden Fall war das Interview mit dem ungleichen Paar mit dem identischen Musikgeschmack „Ruhe (silence is golden), Jazz, Klassik und Little Feat“) recht lustig und direkt die erste Frage brachte großes Gelächter ein, denn ich sprach sie darauf an, daß in einer anderen deutschen Rockzeitschrift zu lesen sei, sie seien sieben Jungmillionäre, die nur noch zum Kohlemachen im Geschäft sind. „Schön war’s“, sagte Butch, noch vor Lachen nach Luft schnappend, „ich möchte gerne mal wissen, woher solche Informationen stammen. Richtig ist, daß wir, nachdem wir und aufgelöst haben, pleite waren…O.K. wir haben viel Geld für Grass und Koks ausgegeben und nachher war halt nichts mehr da. Wir haben uns nicht besonders um unsere Geschäfte gekümmert, und Phil Waiden, der Boß unserer damaligen Plattenfirma Capricorn, der auch gleichzeitig unser Manager war, hat uns ordentlich über’s Ohr gehauen. Geld war auch nicht der Grund für die Neuformierung der Band. Wir hatten alle eine gute Band, und es brauchte drei Jahre, bis wir wieder Lust verspürten, zusammen zu spielen. Während eines Gigs meiner Band kam Dickey auf die Bühne und jammte mit uns und mich überkam das alte Feeling, und ich dachte, „yeah, that’s it“, und wir beschlossen, es wieder zusammen zu versuchen.“

Durch alle Antworten der beiden zog sich jene spezielle Lebensphilosophie wie ein roter Faden, die stark im amerikanischen Outlaw-Mythos verwurzelt ist. Kurz umrissen könnte man sie auf diesen Nenner bringen: 1. Spontanität über alles; 2. Scheiß auf Normen und laß die Dinge auf dich zukommen; 3. die Dinge werden schon so kommen, wie sie kommen sollen und 4. Hauptsache man hat einen Haufen Spaß dabei. So reizvoll ich persönlih diese Haltung finde, so war sie mir doch manchmal ein wenig zu einfach, wie es sich besonders in ihrer Stellungnahme zur sogenannten New Wave und zur amerikanischen Politik zeigte. Da ihr neustes Album, REACH FOR THE SKY, unbeeinflußt von allen Wellen wie ein Fels in der Brandung steht, interessiert mich ihre Einstellung zur neuen Generation der Rockmusik besonders. Butch: „Ich habe kein Verhältnis zur New Wave. Wenn wir spielen, dann ist das sehr soulful. Was sollen wir uns auf die Bühne stellen und darüber singen, wie pleite wir sind oder wie kaputt die Gesellschaft ist. Die N.W.-Bands singen über die Gesellschaft und die ist in trouble. Sie sind mir einfach zu depressiv. Die Leute kommen zu uns ins Konzert, um sich gut zu fühlen, und wir wollen sie stimmungsmäßig nicht runterbringen. Wir singen über Liebe, Frauen und gutes Feeling. Es ist eine kleine Abwechslung von der Alltagsscheiße.“

Daß ich daraus den Schluß ziehen wollte, sie seien politisch wohl nicht sehr stark interessiert, stieß bei ihnen auf Protest. „Ich bin sehr an Politik interessiert“, sagte Butch, „sollte Ronald Reagan Präsident werden, gehe ich in die Schweiz. Reagan ist ein Fanatiker des äußersten rechten Flügels, der uns in einen Krieg treiben könnte.“ Einen besseren als Carter kennt er nicht und auch von Kennedy halt er nichts. „He doesn’t have the balls“, meint er. Über Carter konnten wir also auf keinen Nenner kommen, und da sie sowieso nicht viel Lust hatten, über Politik zu reden, kamen wir zurück zur Band und ihren weiteren Plänen. „Zunächst werden wir bis Ende des Jahres touren, ein paar neue Songs schreiben, und im März können wir vielleicht schon ein neues Album einspielen, das dann im Juni auf den Markt käme. Eigene Aktivitäten der einzelnen Musiker wird es auch weiterhin geben. Wir haben in den zehn Jahren gelernt, daß Solo-Trips das befruchtendste überhaupt für eine Band ist. Erstens werden so neue Einflüsse in die Band eingebracht und zweitens kann so jeder die Songs, die nicht zu den Allmans passen, auch verwirklichen. Dickey hat gerade sein neues Album fertig und Gregg arbeitet gerade an seinem neuestem Solo-Projekt.“ Darauf angesprochen, ob dikkey und Gregg vielleicht die Bosse seien, antworteten sie: „Oh nein, Dickey und Gregg schreiben zwar die meistens Songs – doch wir mögen keine Bosse.“

Ihre Coolness auf der Bühne rechtfertigen sie so: „Wir sind auf der Bühne, um Musik zu machen. Wenn du wie Kiss auf der Bühne herumspringst, kannst du nicht auf die Musik achten. Manchmal machen wir ja action, aber wenn, dann kommt das von innen. Es ist jeden Abend anders.“ Ein weiterer Grund für ihr cooles Verhalten ist mit Sicherheit auch das völlige Abfahren des amerikanischen Publikums. „Sobald die Band vorgestellt wird flippt das Publikum völlig aus und wir müssen es erst einmal durch ein paar laid back -Stücke dämpfen. In ganz Europa ist das Publikum sehr zurückhaltend.“

Ein Southern-Rock-Revival, wie es uns die Plattenfirma so gerne verklickern wollen, gibt es laut Butch auch nicht. „Die Sache ist die: Wir haben uns vor vier Jahren aufgelöst und sind nun wieder da. Lynyrd Skynyrd hatten, wie jeder weiß, eine harte zeit, und auch sie haben sich jetzt als Rossington-Collins-Band reformiert. Marschal Tukker hatten Ärger mit ihrer Company und sie haben sich jetzt wieder gemeldet. Und schwupdiwup machen die Plattenfirmen daraus ein Revival.“

Viel Unglück hatten ja nicht nur Lynyrd Skynyrd. Wie jeder weiß, sind auch Duane Allman und Berry Oakley tödlich mit dem Motorrad verunglückt und auch Butch kam bei einem Autounfall nur knapp mit dem Leben davon. Beeinflußt haben diese Ereignisse David und Butch scheinbar nicht. „Es sind Sachen die halt passieren, und du mußt sie nehmen wie sie kommen. Wir glauben nicht an irgendeine Fügung und haben deshalb auch keine Angst.“

Der interessantere Teil des Intervies fand allerdings, später in lockerer Atmosphäre an der Theke statt, wo Butch mir vom praktischen Outlawleben aus jener Zeit erzählte, als sie noch auf ihrer Farm wohnten. Eine Zeit, so Butch, in der den ganzen Tag die Joints kreisten, viel gefeiert und getrunken und das Essen noch selbst geschossen wurde. – Für einen Stadtmenschen wie mich, der sich wie heute nach getaner Arbeit durch den hektischen Stadtverkehr gequält und schnell ein Fertiggericht reingehauen hat, um dann zu einem Konzert zu hasten – ein Traum.

Doch auch für die Allmans sind diese Zeiten vorbei. Butch wohnt heute mit Frau und Kindern in Florida.