An ihren Autos sollt Ihr sie erkennen!


Von Chuck Berry („Maybellene“) über die Beach Boys („409“) bis zu Prince („Little Red Corvette“) – die Amis hatten schon immer eine gesunde Affinität zu ihren teils grausamen, teils schönen, teils grausam-schönen fahrbaren Untersätzen. Auch die Engländer wollten und wollen da nicht nachstehen, und so machten sich die Beatles mit „Baby You Can Drive My Car“ anerbötig, Chris Spedding forderte forsch „Jump In My Car“, Hot Chocolate versprach den „Heaven In The Backseat Of My Cadillac“ – und Tom Robinson besang gar seinen häßlichen, untermotorisierten „Grey Cortina“.

In Deutschland dagegen mal wieder völlige Fehlanzeige! Zwar schnulzte der Bundes-Tünnes Walter Scheel vor Jahren von seiner Fahrt „Hoch auf dem gelben Wagen“, aber damit war dumpf, ewiggestrigtreudeutsch sein Ausritt auf einer Postkutsche von anno Dunnemals gemeint. Und die Jahre später veröffentlichten NDW-Werke von Markus („Ich will Spaß“) oder Ideal („Roter Rolls Royce“) dürfen allenfalls als reine Koketterie gewertet werden, denn weder sah man Herrn Mörl je in einem Ferrari Quatrovalvole – noch die Schwestern Humpe in einem Rolls Royce Silver Shadow.

„I’ve got to have an Rolls Royce because it’s good for my voice“ croonte vor Jahren der seelige Marc Bolan, der dann dummerweise in einem Mini starb, mit diesen Zeilen aber die Auto-Musiker-Beziehungskiste voll auf den Nenner brachte: Ich bin wer, stell‘ was dar- also muß das Gefährt, mit dem ich mich in die Öffentlichkeit wage, auch was hermachen. In Deutschland aber – wie gesagt immer noch (und wahrscheinlich bis in alle Ewigkeiten) völlige Fehlanzeige! Uns Udo läuft auf Rollschuhen durch die Gegend, Nena stapelt mit einem Mäuse-Fiat tief, und die Moralapostel von BAP kriegen schon nach einer Foto-Session Muffensausen, nur weil sie sich mal mit ’nem Rolls-Royce haben ablichten lassen.

Bigotte Emporkömmlinge allesamt! Da war doch Väterchen Lenin tausendmal cooler, denn der besaß zeitweise gleich drei Rollers (So und nicht etwa Rolli, Rolls usw. heißt die Edelkarosse bei Leuten, die einen besitzen!), und einer der drei war gar eine Spezialanfertigung mit Raupenketten, damit der große Weltenlenker auch in Zeiten, da Väterchen Frost unbarmherzig zuschlug, stilvoll an der Spitze der Revolution einherfahren konnte.

Natürlich gibt’s auch hierzulande diverse Stars und Sternchen, die die noblen Karossen aus Stuttgart, München und Zuffenhausen zu schätzen wissen und tatsächlich gar besitzen. Nur gebärden sie sich wie ehedem verkappte Tunten und besteigen ihr Statussymbol allenfalls heimlich am Sonntag und – wenn überhaupt – dann nur mit falschem Bart oder Perücke. Werktags wird dann wieder mit dem klapprigen R 4 oder dem rostigen Käfer bei den Fans „ich bin einer von euch“-Eindruck geschunden. John Lennon, Keith Moon oder Jimi Hendrix hätte man zeitlebens noch nicht mal tot (auch wenn das makaber klingen mag) am Volant einer solchen Rostlaube angetroffen.

Der deutsche Pop-Star (falls es ihn überhaupt gibt) hingegen stapelt tief, legt aber sein Geld in Immobilien an. Die Villa in Spanien ist schön anonym, hat weder ’nen Mercedes-Stern oder ’ne Emily auf dem Dach und läßt sich in schlechten Zeiten auch noch gut vermieten.

Genug geschimpft. Die werden’s nie lernen, selbst wenn Heino ihnen (was stark zu bezweifeln ist) eines Tages etwas mit einem 73er Ferrari Berlinetta Boxer oder Nicole (das wäre glatt Science-fiction) was mit ’nem Chrysler 300B/6, 25L-V8 vormachen sollten.

Vergeb ne Liebesmüh‘, und daher laßt mich nun vom Car-Sense (einen Dress-Sense haben ja ohnehin nur 0,003 Prozent unserer hiesigen Pop-Stars) reden und Euch ein paar Beispiele präsentieren, wie man sich stilbewußt durch die Gegend bewegen kann.

Daß man beim Tanken nicht etwa auf die DM-Anzeige, sondern allenfalls prüfend auf die Liter-Uhr einer Tanksäule blickt, beweist etwa Scorpions-Bassist Francis Buchholz, der eine Chevrolette Corvette Sting Ray fährt.

Völlig egal scheint es Eddie Money zu sein, wieviel Geld (sprich: Money) seine letzten LP-Veröffentlichungen ihm einbrachten: Er chauffiert einen klassischen Ford Thunderbird, der auch nicht gerade für seinen zurückhaltenden Benzinkonsum berühmt ist.

Deutsche Wertarbeit – besonders dann, wenn sie auf den Namen Porsche hört schätzen nicht etwa Klaus Lage und Ulla Meineke (denn die gehen imagegemäß sicher auf Clogs zu Fuß), sondern Ex-Teen-Star Leif Garrett und Knödel-King Kenny Loggins.

So richtig naturverbunden geben sich drei recht unterschiedliche Musiker: Limahl, der in seinem Jeep wohl vor den vielen kleinen Mädchen zu flüchten versucht; Ted Nugent, der in seinem Geländewagen noch schneller als auf seiner Gitarre sein möchte – und Eddie Van Haien, der in seinem Jeep Renegade wohl den DAF’s seiner holländischen Heimat entkommen will.

A propos DAF: Die beiden, die sich ja unlängst wiedervereinigten, enttäuschen den Auto-Fan schwer, entblödeten sie sich doch nicht, sich vor einem scheußlichen Trecker ablichten zu lassen. Oder soll dieses Bild etwa ihre Verbundenheit zur hiesigen Scholle versinnbildlichen?

Den richtigen Car-Sense beweisen (von Jeff Beck einmal abgesehen, der stets schon schneller englisch-italienische Spitzenerzeugnisse zu Schrott fuhr, als du

„Ferrari-Lamborghini-Morgan-Aston-Martin“ sagen kannst) Pink Floyd-Trommler Nick Mason, der Oldtimer als auch Rennwagen sein eigen nennt – oder aber Ex-Van Halen-Sänger David Lee Roth, der mit einem alten Pontiac Damen, die ihm eine Vaterschaftsklage anhängen wollen, schnell davonbraust.

Vom Boss, Bruce Springsteen, wollen wir gar nicht erst reden, denn der singt dermaßen viel von Autos, daß ihm der Bürgermeister von Detroit eigentlich längst den Schlüssel der Stadt hätte überreichen müssen. Und dem Ausmaß seiner Auto-Fixierung zollte der „Melody Maker“ unlängst dadurch Tribut, daß er die lose Windschutzscheibe („loose Windscreeen“) des Bosses (Bruce Springsteen) über eben dessen Marotten berichten ließ.

Kurzum, die deutsche Welt dürstet es nicht nur nach Berichten, wie sich Udo L. und Nena K. von Gig zu Gig fortbewegen, sondern auch in welches Handschuhfach Ulla M. die „Emma“-Ausgaben packt, auf welche Ablage Klaus L. seine Hippi-Brille legt und in welchen Kofferraum Udo L. seine Rollschuhe verstaut. Könnte man uns diesbezüglich in Zukunft etwas mehr auf dem Laufenden halten, Dr. Gonzo wäre hocherfreut, davon zu hören.

Aber solange Ihr Udos, Ullas, Klause und Marcusse Euren Mercedes-Stern unter den Scheffel (sprich: klammheimlich in die Garage) stellt, solange halten wir (Dr. Gonzo im „pluralis majestatis“) Euch für typisch deutsche Spießer! Wir wissen, daß Ihr Geld verdient, und daher wollen wir nicht Eure tollen verheimlichten Häuser im Tessin oder Eure Mietskasernen in Köln sehen, sondern etwas, woran auch wir Erbsenzähler, die Euch all dies ermöglichen, uns erfreuen können: Eure tollen Autos!!!!

Die große Chance, etwas Auto-Geniales im Stil von „KRLA Top Eliminator“ (Bobby Fuller Four), „White Line Fever“ (Jesse Ed Davis), „Heaven Is In The Backseat Of My Cadillac“ (Hot Chocolate) oder „Driving My Life Away“ (Eddie Rabbit) zu schreiben, die habt Ihr Öko-Fußgänger, Müsli-Wandervögel und Latzi-Radfahrer schon vor Jahren verpaßt! Wann bekennt sich endlich mal jemand – wie Janis Joplin – zu seinem „Mercedes Benz“???

Und wie immer ist dies die ganz persönliche, völlig richtige und definitiv maßgebliche Meinung von Dr. Gonzo, die nichtsdestotrotz nicht unbedingt mit derjenigen der Redaktion übereinstimmen muß!