Badly Drawn Boy über Bruce Springsteen


Selbst Leute, die keinen Song von Damon Gough pfeifen können, haben schon davon gehört: Der Wollmützenmann liebt den Boss. Jetzt klingt seine Musik auch noch nach Springsteen - und dann noch dieser Albumtitel...

Berlin, Popkomm. Ein seltsam zusammengestellter Konzertabend. In der „Maria“ teilt sich Dämon Gough alias Badly Drawn Boy das Line-up mit schrägen Berliner Szenefiguren, Punkbands und Hip-Hop-DJs. An der Bar wird unablässig getratscht. Vom Saal nebenan ballern Beats herüber. Gough is not amused. Er soll sein neues Album born in the uk live vorstellen, doch aus Protest rattert er äußerst missmutig und ohne viel zu sagen sein Programm herunter. Am nächsten Tag ist seine Stimmung wieder besser. „Ich hatte vor dem Konzert zum ersten Mal seit zwei Wochen mit meinen Kindern gesprochen undbekam Heimweh. Auf der Bühne wareszu heiß, das Publikum hat nur geredet… Viel fehlte nicht, und ich hätte irgendetwas zertrümmert. Jemand wie Bruce Springsteen ist da anders. Er reagiert in solchen Situationen wie ein Profi. Ich offenbar nicht.“

Man weil) ja längst, wie du zu Springsteen stehst. Warum bringst du deine Vorliebe jetzt noch einmal so deutlich in dem Albumtitel born in the uk zum Ausdruck?

(Gough schaut auf das Cover von Springsteens born to run, das der MUSIKEXPRESS mitgebracht hat) Dieses Album beschreibt perfekt, wie ich mich zuletzt gefühlt habe. In Interviews zur DVD -Ausgabe beschreiben die Bandmitglieder, welche Schwierigkeiten Bruce bei der Entstehung der Platte zu meistern hatte. Mit etwas Stolz kann ich feststellen, nun genau nachvollziehen zu können, was er damals durchgemacht hat. Plattenaufnahmen sind immer eine heikle Angelegenheit, aber dieses Mal ging es für mich ans Eingemachte. Ich schwor mir, dass ich mit der Musik aufhören werde, wenn ich das Album nicht richtig hinbekomme. Ich stand vor der Aufnahme meines fünften Albums, habe fast zehn Jahre im Rampenlicht hinter mir, werde nicht jünger, bin Vater. Dann gehen die ersten Aufnahmen mit Stephen Street ohne Ergebnis zu Ende, alles wird noch komplizierter. Da stellt man sich Fragen, hat Selbstzweifel. Bruce kennt sich damit aus, wie es ist, wenn man anfängt, sich existenzielle Dinge einzureden. Der klassische Rockstarquatsch eben.

Am Ende deines Albums erwähnst du explizit den Bruce-Song „Thunder Road“…

Ich war mir anfangs nicht sicher: Soll ich es wirklich tun? Die Leute könnten zu viel hineininterpretieren und den Eindruck gewinnen, mein Leben bestehe nur aus Bruce Springsteen. Aber gut, man kann da nichts machen, wenn einen die Muse küsst. Man sucht etwas, und plötzlich findet man unerwartet etwas Brauchbares. Ich hatte es nicht geplant, aber am Ende war ich doch wieder bei Bruce. Ich kann scheinbar nicht ohne ihn leben. Er ist meine Inspiration. Viele Leute erkennen in meiner Musik zwar keine Verbindung zu ihm, aber das ist mir egal.

BORN in THE UK klingt zumindest so sehr nach Springsteen wie kein Badly-Drawn-Boy-Album zuvor.

Ich habe mich nicht bewusst an den Sound angelehnt. Es gibt da diesen Song „Journey From A To B“, an dem ich eine Weile gesessen habe und der mir anfangs zu nüchtern arrangiert vorkam. Mein Produzent Nick Franglen schlug vor, ein weiteres Instrument hinzuzufügen. Ich spielte etwas auf dem Piano, es entwickelte sich dieses Riff- und was soll ich sagen: Es klang so, als spiele Springsteens Keyboarder Roy Bittan einen Song wie „Badlands“. (In diesem Moment klingelt Dämons Handy -der Klingelton: „Born In The USA“‚) Oh Mann, ist das peinlich! (lacht) Ich glaube, wenn du deiner Freundin endlich einen Heiratsantrag machst, spielst du ihr „I Wanna Marry You“ von the river vor…

Wir hatten bisher noch nicht die Zeit zum Heiraten. Aber ich werde mir deinen Vorschlag merken, (lacht) Wie bist du zum ersten Mal mit Springsteens Musik in Berührung gekommen?

Ich war 14, es war kurz vor Weihnachten 1984. Die BBC strahlte Ausschnitte des „No Nukes“-Konzerts im Madison Square Garden von 1979 aus, mit dem sich Bruce und andere Künstler gegen die weitreichende Nutzung von Nuklearenergie aussprachen. Meine Eltern hatten sich damals gerade einen der ersten Videorecorder zugelegt, der auf dem Markt war. Ich wollte ihn ausprobieren und drückte den Aufnahmeknopf, als gerade „Thunder Road“ zu laufen begann. Am nächsten Tag habe ich mir den Ausschnitt etwa 50-mal angesehen. Dann kaufte ich born to run und danach so ziemlich jedes Bootleg mit „Thunder Road“ drauf, das mir in die Finger kam. Ich war erstaunt, wie viele Versionen es von diesem Song gab. Ihn gehört und einen Live-Ausschnitte davon gesehen zu haben, war wie eine Erleuchtung.

Eine „Erleuchtung“?

Plötzlich war da etwas, das mir einen Weg wies. Die Art, wie Bruce diesen Song spielte, hatte so viel Überzeugungskraft. Ich wusste, ich musste in meinem Leben etwas finden, das für mich ähnlich wichtig werden kann wie das Gefühl, das Bruce hatte, als er da im Madison Square Garden auf der Bühne stand. Anfangs war mir noch nicht klar, dass ich selber Musiker werden will. Fußball, Zeichentrickfilme und Studiotechnik waren Dinge, die mich mehr interessierten. Als ich mit 19 in meinem ersten Studiojob nicht recht vorankam, kaufte ich mir das Notenbuch von born to RUN und lernte die Songs zu spielen. Danach wurde ich besessen und kaufte mir alles von Bruce.

Auf der Bühne hast du auch schon davon erzählt, Bruce persönlich getroffen zu haben. Wie war das?

Das erste Mal trafen meine Freundin Cläre und ich ihn in einem Hotel in Manchester. Wir landeten zufällig in diesem Hotel; Cläre kannte den Barmann. Wir bekamen schnell mit, dass sich Bruce Springsteen dort aufhalten muss: Ich erkannte seinen Manager Jon Landau und sogar seinen Bodyguard, der immer auf den Live-Filmmitschnitten zu sehen war. Cläre meinte, wir sollten Bruce unbedingt meine Musik zuschanzen, und rief ihre Schwester an, die dann meine bis dato veröffentlichten vier EPs mit einem Taxi zum Hotel bringen ließ.

Das stimmt doch bestimmt gar nicht. Du hattest das doch geplant und die EPs schon in der Tasche!

Nein, es war wirklich so! Ich gab dem Bodyguard meine Platten und dachte mir nichts weiter. Später kam Bruce dann zu uns an den Tisch und bedankte sich. Einfach so. Da ich schon etwas betrunken war, warf ich ihm alle Nettigkeiten an den Kopf, die mir gerade einfielen. Später erfuhr ich über meinen Manager, dass sich Bruce mein Album besorgt hätte und dass es ihm gefiele. Vor drei Jahren dann rief mich der Konzertveranstalter Harvey Goldsmith an und fragte, ob wir Bruce vor seinem Konzert auf dem Old Cricket Ground in Manchester treffen wollten, für das wir schon Karten hatten. Wir gingen natürlich hin und unterhielten uns mit Bruce. Ich wollte ihm ein Exemplar von H ave you fed the fish? geben, aber er hatte das Album schon. Dann erzählte ich ihm beiläufig, dass wirunseren Sohn quasi nach ihm Oscar Bruce genannt hätten. Beim Konzert dann glaubte ich meinen Ohren nicht zu trauen: Springsteen kündigte „Thunder Road“ an und widmete den Song Oscar Bruce, meinem Sohn! Ich kaufte mir wieder ein Bootleg, um mich zu vergewissern, dass es auch wirklich so war. Ich habe fast geheult vor Glück.

Musstest du dich als „indie-Musiker nicht oft dafür rechtfertigen, auf einen Stadionrocker wie Springsteen zu stehen ?

Das war schon in der Schule so. Meine Freunde fanden Springsteen scheiße und sangen scherzhaft „Born In The USA“ sobald ich zu ihnen rüberkam oder an ihnen vorbeilief. Für viele reduziert sich Bruce auf diesen einen Song. Ich habe inzwischen mein ganzes Leben damit verbracht, für Aufklärung zu sorgen. Manchmal glaube ich, Bruce hat tatsächlich davon profitiert. Jetzt will sogar der NME mit mir über Springsteen reden, weil nun auch The Killers ihn als Einfluss benennen. Johnny Borrell von Razorlight trägt T-Shirts mit Bruce Springsteen drauf. Ich werde jetzt offenbar als einer der Väter des neuen Springsteen-Kults angesehen. So weit ist es schon gekommen.