Man wunderte sich schon als man den Kress Express am Sonntag las und mitgeteilt bekam: „Bundesvision Song Contest erholt sich – „Verstehen Sie Spaß?“ trotzdem stärker, auch bei Jüngeren“. Das war schon irgendwie verwunderlich, konnte man doch dieses Jahr viel lernen, wie zum Beispiel dass mit Rosen besetzte Mikrofonständer und überdimensionale, ebenfalls mit Rosen besetzte, brennende Kreuze nicht zwangsläufig Dramatik erzeugen. Oder auch wie man es dank Styling beim Auftritt hinbekommt, wie eine als Bloggerin getarnte Lehrerin auszusehen. Diese Frau lieferte allerdings mit einen der besten Auftritte dieses Abends ab.

Großartige Stimmen sind anscheinend ohne riesige Show nicht so richtig zum Gewinnen geeignet (sorry Teesy). Und während der einhundertdreißigste Werbeblock läuft, schaltet man tatsächlich schnell mal um und landet wirklich nur ganz kurz bei „Verstehen Sie Spaß?“, bei dem gerade Santiano zu Gast sind. Für alle, die nicht ganz auf dem Laufenden sind: Santiano sind echte Piraten, die auf ihrem Schiff, mit dem sie die sieben Weltmeere umsegeln, zünftige Feiern schmeißen und die dort gesungenen Lieder auf CD aufnehmen und damit ganze Stadien füllen. Genau diese Piraten wurden bei einer Generalprobe für einen Auftritt mit dem Manager einer Band aus den Niederlanden konfrontiert, die sie tatsächlich dort im realen Leben kopieren und verstehen komischerweise keinen Spaß.

So etwas hat in der jüngeren Zielgruppe mehr Einschaltquoten? Ernsthaft? Das ist trotz energieraubender vier Stunden Showmarathon wirklich unfair. Mit irgendetwas muss Stefan Raab die Jugend verärgert haben. Vielleicht wurden aber auch die Fernsehgeräte der Jugendlichen gewaltsam von den Großeltern in Beschlag genommen und die Enkel in die Clubs und Bars ihrer Stadt verbannt, um sich dort am Samstagabend zu betrinken. Oder ist dies der erste Hinweis auf die zunehmende Vergreisung der Jugend? Apropos Vergreisung: vor lauter Vermutungen hätte ich fast vergessen zu erwähnen, wer gewonnen hat. Ich glaube gewonnen hat Coldheld oder Revolverplay oder so ähnlich. Ich werde alt.

Jan Schmechtig bloggt unter Horstson.de über Männermode und Musik – und in loser Regelmäßigkeit auf musikexpress.de.