Chumbawamba, München, Incogmto


„WIR SIND EINE ANTIFASCHISMUS-BAND“, ERKLÄRT Chumbawamba-Trompeterin Jude Abbott in akzentfreiem Deutsch,“vielleicht wußten Sie das schon“. Yep, wußten wir. Und politisch korrekt mosht es sich doch gleich um so besser. Noch dazu wenn die erklärten Antifaschisten auf der Bühne Chumbawamba heißen und die berühmteste Kommune des nordenglischen Leeds sind (was nicht wirklich schwerfällt, denn für die meisten dürften sie die einzige Kommune des nordenglischen Leeds sein, die man so kennt). Bei den drei Damen und fünf Herren in Existentialistenschwarz, die da um zehn nach Zehn im Schein einer Taschenlampe die Bühne besetzt haben, schließen Politik und Spaß einander erfreulicherweise nicht aus. Unheimlich betroffenes Ausdiskutieren im handgestrickten Biopulli ist ihr Ding bekanntermaßen nicht. Vielmehr tun sie-seit nunmehr 13 Jahren – ihre nonkonformistischen Ansichten zum politischen Zeitgeschehen durch sarkastischen, in allersüßeste Melodien verpackten Anarcho-Pop kund. Und das partylaunige Publikum im rappelvollen Incognito dankt es ihnen vom ersten Akkord an mit überschwenglichen Sympathiebezeugungen. Während Gitarrist Boff und Jude Abbott mit ihrer Trompete am linken und rechten Bühnenrand die Stellung halten und Drummer Harry Hammer sowie Bassist Paul Greco unauffällig im Hintergrund agieren, ist bei den zwei Mikros in der Bühnenmitte reger Wechsel angesagt. Mal ist Lou Watts, mal Dunstan Bruce, dann wieder Alice Nutter oder Danbert Nobacon für den Leadgesang zuständig. Zur Illustration der oft bitterbösen Texte schlüpfen die beiden letzteren abwechselnd in allerlei Verkleidungen. Dann schwänzelt Glatzkopf Danbert wie ein linkischer Gockel im Anzug mit Ziegelsteinoptik über die Bühne oder scannt die Zuhörerschaft mit besessener Klaus Kinski-Miene mit einem großen Spiegel. Oder Alice Nutter zelebriert als torkelnde, whisky-selige Nonne im feuerroten Gewand aggressiv-emanzipiert sündige Posen. So unterhaltsam und irritierend diese Darbietungen sind – wirklich nötig haben Chumabawamba sie nicht. Ihre schiere Bühnenpräsenz, diese zwar freundliche, aber leicht unterkühlte, selbstverständliche Souveränität und die musikalische Qualität, mit der sie aufspielen, ist an sich schon beeindruckend genug. Ganz der gegebenen, wohldosierten Coolness entsprechend, fallen auch die Ansagen reichlich dürftig aus und beschränken sich im wesentlichen auf ein gelegentliches „Cheers“ des höflichen Boff. Ist ja aber auch egal, wir sind ja wegen der Musik ‚Her. Und die überzeugt bei siteren Sücken,wie“Timebomb“ und den A- capella-Nummern „Homophobia“ oder „The DayThe Nazi Died“ ebenso wie bei „Outsider“ und beim (bislang) ersten wirklichen Hit der Band, „Tubthumping“, bei dem auch der allerletzte Bewegungsmuffel in Wallung kommt. Die Menge tobt. Chumbawamba grinsen zufrieden – und erklären nach exakt einer Stunde kurzerhand das Konzert für beendet. Zwei Zugaben, u.a. die lautstark verlangte Antifa-Hymne“Enough Is Enough“, gibt es dann zwar noch, aber als danach die Roadies ungerührt die Verstärker ausstöpseln, ist wohl nix mehr dran zu deuteln: Nach 75 Minuten hat die Band aus Leeds – kollektiv, versteht sich – keine Lust mehr.