DAF – Alles ist gut!


Die ganze Welt ist himmelblau, wenn ich in deine Augen schau – ein deutscher Schlager? Ja, ein neuer deutscher Schlager, genannt „Mein Herz macht bum“ von der Deutsch-Amerikanischen Freundschaft. Zu hören auf der neuen LP ALLES IST GUT. Unterschwellige Erotik. Ich bin fasziniert. Die Begegnung mit Robert Görl und Gabi Delgado-Lopez, dem Duo, das jetzt hinter der DAF steht, ist überraschend: Freundlich, offene, positive Gesichter, sehr gesprächig und kooperativ, präzise Formulierungen. Es dürfte schwer sein, sich der Ausstrahlung dieser beiden Deutschen zu entziehen. In London scheint die Sonne. „Die ganze Welt ist himmelblau…“ Es wird ein gesprächiger langer Nachmittag. Viele wichtige Themen besprechen wir, aus Platzgründen kann ich das Gespräch nur sehr verkürzt, aber hoffentlich nicht manipuliert, wiedergeben. Gabi ist redefreudiger als Robert, der dafür unentwegt strahlt. Seine Welt sind wohl eher die Töne und nicht die Worte.

Wir lassen ein Teil deutscher Geschichte der Neuen Welt passieren. Gabi ist in Spanien geboren, in Deutschland aufgewachsen. Bis 15 hat er Fußball gespielt, zwei Jahre später hat ihn der Punk-Rock fasziniert. „Ich habe die Schule sausen lassen und wollte Musiker werden.“ So kam er zu den Bands der ersten Stunde in Düsseldorf: Charlie’s Girls und Mittagspause. „Doch das war zu hobbymäßig. Ich wollte Musik als Beruf, davon leben.“ Da hat er Robert im Ratinger Hof kennengelernt. „Ich habe extra meinen Zug verpaßt.“ Robert stammt aus Bayern, hat in Augsburg auf dem Mozart-Konservatorium Klassik studiert, danach in Graz eine Jazz-Schule besucht. Klavier und Schlagzeug hat er studiert: „Das hilft schon, es war sicher nicht schlecht, daß ich studiert habe.“

Der Nichtmusiker Gabi und der Ausgebildete Robert haben mit drei weiteren Leuten Deutsch-Amerikanische Freundschaft gegründet. Die erste Probe fand im Keller vom Ratinger Hof statt. Dann zog sich die Band für sechs Wochen in eine Art Trainingslager zurück, um das Programm zu erarbeiten. Gabi: „Am Anfang war das ein Kult, diese Neue Deutsche Welle. Das hat mich gestört, deshalb bin ich auch bei den anderen Bands ausgestiegen. Das war unprofessionell ohne jeden Aspekt auf eine größere Massenwirkung. Ein unheimlich elitäres Ding, unbekannte Kultfiguren zu sein. Aber das Konzept von DAF war von Beginn an darauf aus, einen Durchbruch für die deutsche New Wave zu schaffen.“

Doch zunächst gab es zahlreiche Wechsel und Umbesetzungen. „Wir sind jetzt zu dieser Zweierbesetzung gekommen, die wir nicht ändern wollen. Für eine bestimmte Periode werden wir mit anderen Leuten zusammenarbeiten. Für die Deutschlandtournee haben wir eine Technikerin, die auf der Bühne die ganzen Elektronikprogramme einwirft.“

Die elektronischen Arrangements auf der LP stammen von Robert, der auch das Schlagzeug spielt. Gabi: „Ich singe und mache die Texte, ich bin so etwas wie ein musikalischer Direktor für Text und Inhalt. Aber das kann sich auf der nächsten LP ändern, so daß ich vielleicht mal ein Stück schreibe und Robert einen Text.“ Ich frage nach der allerersten DAF-LP, die ich nur vom Hörensagen kenne. „Das war eine Art experimentelle Platte, das erste Produkt. Die ist auf unserem eigenen Label erschienen. Das soll auch eine Kultplatte bleiben. Für uns ist das auch eigentlich nicht die erste LP sondern die nullte.“ Danach erschien DIE KLEINEN UND DIE BÖSEN, die in England auf Mute-Records herauskam: „Damals hat die Alternativ-Szene hier als erstes an uns Interesse gezeigt. Die LP ist zu kompromißfähig, weil so viele Musiker mit unterschiedlichen Ideen daran beteiligt waren. Ich finde die zwar toll, aber es ist eine halbe Sache, ein Collage-Album. ALLES IST GUT ist für mich die erste LP, hinter der ich voll stehe“, sagt Gabi.

Ich spreche ihn auf die Single „Kebabträume“ an, für mich die einzige Platte, die ich mit DAF verbunden habe, weil sie einen sehr signifikanten Ausdruck hatte. Ja, das sind die drei Sachen, die ich wichtig finde: kompromißlos, aber trotzdem kommerziell und unheimlich klar. Mit einem Beat, zu dem man tanzen kann, der aber trotzdem nicht stumpf ist“

Genau das besitzt das neue Album, Klarheit, Einfachheit, aber Intensität durch einen dominanten Beat, der wie ein schwerer Baß in den Magen schlägt. (Vergl. Longplayers) ALLES IST GUT bringt die Gefühle zum Schwingen, Sehnsüchte nach kraftvoller Zärtlichkeit. Die Songs sind nicht mehr abstrakt, sondern sehr persönlich. Robert: „Weil man sich jetzt viel besser absprechen kann. Vorher war das immer ein freundlicher Kompromiß, der aber im Endeffekt nicht geklappt hat.“ Gabi ergänzt: „Wichtig ist auch, daß ich als Nichtmusiker erst über die Jahre gelernt habe zu singen, zum Teil war diese neue LP ein Lernprozeß für mich.“

Produziert hat Conny Plank. Wie sehr war er mit einbezogen? „Im Prinzip haben wir beide produziert, Conny Plank war ein vertragstechnischer Punkt. Es war aus Publicity-Gründen wichtig, vor allem in England, dieses Ding Produced by Conny Plank zu haben. Conny Plank ist hier ein totaler Kultname, gerade, weil Ultravox so hoch in den Charts steht. Das garantiert einem bestimmte Verkaufszahlen. Ich würde die Arbeit als fifty-fifty bezeichnen, wobei die Grundideen von uns kamen und von Conny in Sounds umgesetzt worden sind.“

Die Texte der DAF sind sparsam, aber deutlich, da werden ungeniert Worte eingesetzt, die man hierzulande als kitschige Schlagersprache verpönt. Gabi: „Ich bin auf keinen Fall ein Prediger, ich beschreibe Sachen, die es gibt, möglichst einfach.“ Kann es sein, daß diese Unbefangenheit daher kommt, daß du zweisprachig aufgewachsen bist? „Kann sein, ich scheue ja vor nichts zurück. Liebling oder Schatz, das finde ich sind ganz tolle Wörter. Ich finde die deutsche Sprache auch ungeheuer singbar. Die Rhythmik der Sprache ist unheimlich interessant.“

Es gibt viele Liebeslieder, aber auch ein Lied wie „Der Mussolini“, das mißverstanden werden könnte. Was hat es mit der Aufzählung von Faschisten, Jesus Christus und dem Kommunismus auf sich? „Es ist eine Entmystifizierung des Faschismus. In Deutschland ist ein Wort wie Hitler oder Mussolini tabu. Das hat einen unheimlich gefährlichen Effekt für ganz junge Leute, weil das fast heilige Wörter sind, die einen Mythos bekommen. Wir haben das in einen lächerlichen Disco-Zusammenhang gebracht. Ich finde diese ganzen Vokabeln entmystifizierend, weil wir Wörter in einen Zusammenhang gebracht haben, die auf unterschiedliche Art heilig sind. Es ist ein respektloser Song, es ist respektlos, Adolf Hitler und Jesus Christus in einem Atemzug zu nennen. Und dann hat ja die Disco-Bewegung auch sehr faschistoide Tendenzen, das paßte gut zusammen.“

Und die Liebeslieder, woher kommen die? Robert: „Wahrscheinlich daher, daß wir jetzt enger zusammenrücken.“ Gabi: „Es ist leichter ein Liebeslied zu singen, wenn nicht noch drei andere Leute da sind, die das gar nicht verstehen und schräg draufkommen. Es ist auch nicht leicht, ein Liebeslied zu machen. Ich arbeite da schon über ein Jahr lang daran, an einem Liebeslied, das nicht abstrakt aber auch nicht kitschig wirkt. Nicht sowas wie „Meine Liebe ist wie Neon“ sondern eines, wo es wirklich heißt „ich liebe dich, mein Liebling“. Das ist so das Schwierigste, aber im Moment ist dafür die optimale Situation. Ich sehe auch, daß DIE KLEINEN UND DIE BÖSEN sehr negativistisch war. Das ergab sich durch die ganze Situation. Ich stehe weder darauf zu sagen, alles ist schlecht oder alles ist gut. Obwohl die neue Platte ja heißt ALLES IST GUT. Vielleicht ist ja auch alles gut, wer weiß.“

In einem anderen Song, „Verlier nicht deinen Kopf“ werden so absolutistische Forderungen gestellt wie „bleib jung, bleib immer schön“. Träumt ihr davon? Gabi: „Wir beschreiben nur einfach Gefühle, und das ist eines, das ich von mir kenne. Dieses Gefühl in einer Bande zu sein, den Lederkragen hochzuschlagen, immer jung, immer stark, immer nach vorn. Privat würd‘ ich sagen, daß ich schon immer jung bleiben will. Jeder wird optisch älter, aber nicht unbedingt im Kopf. Darum geht es doch, den Kopf nicht zu verlieren. Das ist doch das Wichtigste.“ Übrigens, Gabi ist 20 und Robert 25.

Wir sprechen über den Schritt der DAF nach England zu ziehen, bei einer großen Firma unterschrieben zu haben. Viele meinen jetzt vorwurfsvoll, DAF habe die Genossen verraten. Gabi: „Wir sind unheimlich froh, daß wir nach England gegangen sind. Ich seh‘ da auch keine Grenzen, wir sind international. Und daß wir zum Beispiel in London leben und deutsch singen, darüber sollten sich doch ein paar Leute freuen.“ Robert: „Durch unseren Schritt haben sich englische Zeitungen auch wieder für die deutsche Szene interessiert. Wir sehen da keine Konkurrenz.“ Gabi: „Kleinkarriert finde ich die deutsche Szene, muß ich echt sagen. Und zwar die Macher. Das Publikum, die Kid-Punks in Berlin etwa, die sind überhaupt nicht kleinkariert. Die Leute, die nicht zu den heiligen Machern gehören, sind viel lockerer.“ Robert: „Leute, die uns Vorwürfe machen, die würden doch zum Beispiel gar nicht das Risiko eingehen, ins Ausland zu ziehen.“ Gabi: „Wir sind hier ein Jahr lang ohne Wohnung gewesen, haben uns durchgeschlagen, jede Nacht woanders. Da möchte ich mal manchen aus der deutschen Szene sehen…“

Robert: „Die bevorzugen doch ihre deutsche Wohnung…“

Gabi: „… bei den Eltern ein Zimmer behalten. Wir haben das Risiko getragen, und das hat sich auch ausgezahlt. Aber wir sind durch harte Zeiten gegangen. Und im Endeffekt war es ja dann auch eine englische Plattenfirma, die gesagt hat, o.k., wir nehmen das Risiko auf uns und zahlen denen einen Vorschuß. Davor haben deutsche Firmen zurückgeschreckt. Wir haben einen sehr guten Vertrag, keinen Künstlervertrag, sondern einen Produkt-Vertrag. Der läßt uns alle Freiheiten, musikalisch, beim Cover, der Werbung. Und wir können alle anderen Projekte machen, die wir wollen. Zum ersten Mal steht uns ein großes Vertriebsnetz zur Verfügung, um die Produkte an die Masse zu bringen. Ich glaube nicht an diese ganze elitäre Klamotte mit Eigenvertrieb. Ich stehe auf Popularität und darauf, daß 100000 Leute die Platte kaufen. Wenn man clever ist, dann kann an auch so arbeiten, ohne die Identität zu verlieren. Ich bin auch nicht der Meinung, wie viele deutsche Musiker, daß die Masse dumm ist. Das finde ich respektlos und elitär. Und wir haben uns sehr viel Zeit damit gelassen, eineinhalb Jahre. Wir wollten nicht in irgendetwas hineinstürmen.“ Und die deutschen Texte waren dabei kein Handicap? Gabi ist amüsiert: „Man muß nur genau wissen, was man will. Ich biete das an und nichts anderes.“

Wir kommen aui Klamotten, Mode, Trends, die New Romantics zum Beispiel zu sprechen. DAF hat in England bei manchen Leuten ein Sado & Macho-Image, in Deutschland haben viele sie für eine Skinhead-Band gehalten. Was ist los? Gabi: „Die Engländer haben ein sehr freies Verhältnis zu diesen Sachen. Wenn ihnen was gefällt, dann wird das spielerisch benutzt. Es ist einfach toll mit solchen Verkleidungen zu spielen, heute als Pirat, morgen vielleicht in Jeans, dann wieder Mittelalter oder Leder. Und die Leute hier sind da alle sehr kreativ, machen fast alles selbst. Die holen sich die Utensilien vom Flohmarkt und sehen danach aus, als hätten sie 2000 DM angelegt. Das ist eine Botschaft an die Kids in Deutschland. Die Leute sollen echt anfangen, sich zu verkleiden. Und sich die Sachen selber machen. Und vor nichts zurückschrecken, vom Piraten bis zum Astronauten. Sie sollen einfach etwas mehr ihre Phantasien ausleben!“

Und wie ist das mit dem DAF-Publikum und den Konzerten, was erwartet uns? Gabi: .Wir wollen nie in einem Konzert die Platte reproduzieren, wir stehen auf den kleinen Unterschied. Denn ein Konzert ist ja fast schon so teuer wie eine Platte, wenn das dann identisch ist, ist das schon fast Betrug. Wir werden andere Stücke spielen, die nicht auf Platte sind. Und für ein gemischtes Publikum. Sobald man nur für ein Publikum spielt, legt man sich fest. Ich spiel‘ für alle!“