Die neue, vernetzte Nachbarschaft: Ein bisschen wie Facebook – nur sozialer


Nachbarn sind wie Familie – man kann sie sich nicht immer aussuchen. Aber im Gegensatz zur eigenen Familie weiß man bei Nachbarn oft gar nicht, was das eigentlich für ein Mensch ist, der da in der Wohnung gegenüber der eigenen wohnt. Nachbarschafts-Netzwerke wollen das nun ändern.

Eines Abends im Februar lag ein Zettel vor jeder Haustür der Straße. „Hallo liebe Nachbarn, wir würden uns freuen, mit Euch in Kontakt zu treten“, begann das Schreiben. Man habe online eine Nachbarschaftsplattform eingerichtet und Zugang dazu hätten nur „echte Anwohner!“. Auf dem Blatt befand sich ein Zugangscode, mit dem man sich als solcher ausweisen könne.

Die Plattform, um die es sich dabei handelte, war nebenan.de. Ein hyperlokales soziales Netzwerk, eine Art Facebook, aber eben nur für einen Kiez. Studenten kennen solch lokale Netzwerke bereits länger: „Jodel“ basiert auf einem ähnlichen Prinzip und lässt nur diejenigen mitlesen, die sich auch tatsächlich im Umkreis befinden. Nun buhlen auch Nachbarschafts-Netzwerke um lokale Nutzergruppen –  erst vor Kurzem ist auch nextdoor.de in Deutschland an der Start gegangen, davor schluckte nebenan.de das kleinere Portal WirNachbarn.

Während man sich auf Facebook eher mit Freunden vernetzt, soll man es bei nebenan.de und Co. mit seinen Nachbarn – die man oft gar nicht kennt. Laut einer Studie der TU Darmstadt sind selbst die direkten Nachbarn für die Hälfte aller Deutschen Unbekannte. Allerdings wünscht sich nur ein Drittel auch engeren Kontakt zu den Nachbarn.

Vertrauen durch Kontrolle

Vertrauen ins Netzwerk soll die Kontrolle schaffen, ob man auch tatsächlich in der Gegend wohnt. Entweder über Flugblätter mit Passwörtern zum Netzwerk oder über die Anmeldung online, die nur durch die Eingabe eines Codes abgeschlossen werden kann, der auf einer Postkarte an die angegebene Adresse geschickt wird. Anders als bei Facebook-Gruppen, bei denen sich kaum kontrollieren lässt, ob die Mitglieder wirklich Anwohner sind, soll so ein sicheres Umfeld geschaffen werden, in dem sich die Nachbarn austauschen können. Ein schwarzes Brett können ja auch nur die diejenigen lesen, die regelmäßig daran vorbeikommen.

Was ein solches Aussperren von Zaungästen bewirken kann, merkt man schnell, wenn man sich durch die facebookähnliche Timeline scrollt: Wenn man seinen Online-Gesprächspartnern auch mal beim Einkauf über den Weg laufen kann, ist der Tonfall merklich freundlicher und respektvoller. Man warnt vor Einbrechern und schildert, wie man zwei Diebe gerade noch an der Terrassentür überraschen konnte. Eine Mutter sucht stellvertretend für ihre Tochter nach einem Minijob, mit dem sie sich ihr Taschengeld aufbessern kann. Oder man gibt sich gegenseitig Hilfestellung bei Problemen mit dem Computer. Es sind viele kleine Dinge, die besprochen werden – und die in einer ungeschützteren Umgebung online wohl nicht zur Sprache kämen.

Social Networks mit der Nachbarschaft: Ein bisschen wie Facebook – nur sozialer

Und so spielen sich dort auch immer wieder kleine Geschichten ab, die sich in der Öffentlichkeit von Facebook oder auf der Straße so wohl nicht ereignet hätten. So wie die von Anja, die auf einen Vorschlag antwortet, dass sich Nachbarn regelmäßig zum gemeinsamen Abendessen treffen könnten. Kochen könne sie zwar nicht, sie habe dafür aber einen schönen Garten. Ihr Lebensgefährte sei verstorben, der Hund auch. Und Familie habe sie auch nicht mehr. Aber sieben Stühle und einen Mini-Grill.

Netzwerke wie nebenan.de und nextdoor.de wollen Facebook nicht ersetzen. Sie sehen ihre Chance eher in der Koexistenz zum großen blauen Bruder. Hier ist alles etwas kleiner, geschützter. Und liest man sich so durch die Unterhaltungen der Nachbarn, dann kann man sich nicht dem Eindruck erwehren, dass es in diesen Netzwerken auch um einiges sozialer zugeht.