Ein BAP in der Menge


Schauplatz: Rheinbach bei Bonn. Wolfgang Niedecken kehrt mit BAP an die Stätte seiner Jugend zurück.

„Nee, daht jeet net“, meint der Feldwebel und bekommt vor Aufregung nervöse rote Flecken. „Werklisch net, da steht et.“ „Et“ ist ein quadratmetergroßes Schild mit der Aufschrift „Militärischer Sicherheitsbereich“, und „dat“ ist unsere Foto-Session vor Wolfgang Niedeckens altem Internat, dem Konvikt St. Albert in Rheinbach bei Bonn, aus dem die Palottinerpatres mittlerweile aus- und irgendwelche Generalstabsabteilungen der Bundeswehr eingezogen sind.

„Ich bin der Wolfgang“, sagt der Wolfgang und reicht dem Feldwebel die Hand, der daraufhin noch ein bißchen nervöser wird und hineinstürmt zu irgendeinem General und augenblicklich samt Foto-Erlaubnis wieder herauskommt: „Et jeeht!“ Also betreten wir den militärischen Sicherheitsbereich, und Wolfgang zeigt uns, wo damals sein Waschraum war und wo er seinerzeit sein Seifenfach hatte. Und am Ende gibt’s noch Freikarten für den „Sieben Hühnchen“-Auftritt am gleichen Abend.

Sieben Hühnchen? „Kommt von so ’ner Nudelpackung“, dechiffriert Niedecken. „Wir haben ’nen Decknamen für die Warm-up-Gigs zur ‚Pik Sibbe‘-Tour gesucht, und Tina kam gerade vom Einkaufen mit diesen Nudelpackungen …“ Tina ist seit ein paar Wochen Frau Niedecken, und die vier Undercover-Gigs als „Hühnchen“ im Westerwald und in der Eifel waren nach dem Spaghetti-Essen beschlossene Sache.

Dann fahren wir raus in den Wald, „zum Kapellsche“. Wolfgang will uns die Stelle zeigen, wo er und Freundin in unschuldigem Alter von 15 Jahren zum ersten Mal im Auto… Mit 15? Im Auto? „Naja“, sagt Wolfgang, „ihre Eltern hatten halt einen landwirtschaftlichen Betrieb, und so durfte sie schon mit zwölf Jahren Traktor fahren.“ Und sie hätte ihn mächtig angehimmelt. Das sei überhaupt das Gute an seiner Internatszeit hier gewesen, daß man als Musiker auf dem Land schon ’nen besonderen Status hatte. „Wenn wir hier in ’ne Disco gingen, dann war das unsere.“

Szenenwechsel. 16 Uhr. Zeit für den Soundcheck mit den restlichen „Hühnchen“. Der Major ist schon da und schwenkt einen Bogen Briefpapier. „Hier ist einer von den etwa 325 Menschen, die in der Schule neben dir gesessen haben wollen. Er wartet seit ’ner Stunde am Haupteingang.“ Niedecken runzelt die Stirn und kramt in seinem Gedächtnis.

Am Abend quetschen sich 850 Menschen in die Stadthalle. Schlag acht nickt der Wolfgang dem Major zu, und der schaufelt mit seiner Gibson-Gitarre sofort ein erddreckiges Solo los. In den folgenden drei Stunden erobert Wolfgang Niedecken seine Internatsstadt zum zweiten Mal.