ELEKTRONIK


Georg Deuter (neuer Name Chaitanya Hart) macht seit 1971 Musik und gehört seit Mitte der siebziger Jahre zu den Sanyasin. einer Untergruppe der Bhagwan-Bewegung. Seine neue LP CICADA (Kuckuck OSO) enthält schwingende meditative Klänge von klarer Schönheit. Allzu Süßliches vermeidet er gekonnt, obwohl das bei dieser Art Musik nicht gerade leicht falten dürfte.

Das-Titelstück erweckt in mir Vorstellungen einer Waldlichtung mit Grillengezirpe, Vogelstimmen und leisem Gitarrenspiel. Am stärksten haben mich „Light“, „Alchemy“ und „Between Two Breaths“ beeindruckt. Erstgenannte Nummer weckt Assoziationen an Loslösung und Auflösung, beim zweiten Titel erzeugen / Glockenspiel, Synthesizer. Stimmen und Flöte flirrende Sounds, die sich großflächig ausbreiten, „Between Two Breaths“ wird geprägt von Deuters außergewöhnlichem Flötenspiel Allen drei Stücken gemeinsam ist ein wirklich spiritueller Charakter, vergleichbar dem späten John Coltrane Der überwiegende Teil der Deuter-LP besteht aus improvisierter Musik; als Instrumente dominieren Flöte und Synthesizer. Der Sound ist fein und transparent, nicht zuletzt aufgrund des Direct Metal Mastering-Verfahrens.

Die erste Seite der jüngsten Hans Joachim Roedelius LP FLIEG, VOGEL FLIEG (Sky 078) gehört in die Rubrik „nett und langweilig“ – Musik vom elektronischen Leierkastenmann. Nur das letzte Stück wirkt überzeugend und atmosphärisch wie ein Nachmittag bei Kaffee und Kuchen. Auf Seite zwei bemüht sich Roedelius (früher bei Cluster und Harmoma) in der Klanggestaltung abwechslungsreicher, farbenfroher und beweglicher zu sein, bleibt aber dennoch gefangen in Bildern von Harmonie und Ästhetik, die aus dem 19. Jahrhundert stammen könnten. Ein brauchbares Album zum Einschlafen. HUMANS ONLY (Sky 069) stamm: von Euthstax, vier Amerikanern, die in Deutschland bei der Produktionsfirma von Klaus Schulze Asyl gefunden haben. Noch ist unklar, wohin sie mit ihrer Musik eigentlich wollen. Em langer Titel ihrer LP („Tip Toe Funk“) enthält Experimente mit elektronischen Klängen, die ohne Nachwirkung bleiben.

„TV Funk“ läuft zwar in Richtung ,Third World Music‘ von David Bryne und Brian Eno, kann aber auch nur stellenweise überzeugen. Unausgegoren und unbefriedigend sind „Rainbow Dance“ und „One Flew Over The Ridge“.

Gnade vor meinen Ohren finden schließlich zwei Titel, nämlich „Don’t Your Ever World“ und „Indian Dances“ die Band mit ihrem umfangreichen Equipment aus herkömmlichen Rock-Instrumenten und Elektronik macht einen geschlossenen Eindruck. Spannung und Geschwindigkeit steigen allmählich an. Der Sound dieser beiden Stücke erinnert an Mike Oldneld, Folk-Rock und die introvertierte Musik der frühen siebziger Jahre (von Jethro Tull bis Caravan). Gute Unterhaltung für Bewohner von Landkommunen und die Leser von Michael Endes Märchen.

Neues aus dem elektronischen Kindergarten: JUmna Tietchens und das Zeitzeichen-Orchester mit IN DIE NACHT (Sky 077). Zitat aus dem Werbetext der Plattenfirma „Mit diesem Album macht Tietchens deutlich, wie er zur Nacht steht: positiv und neugierig.“ Die Zeitzeichen-Leute kombinieren Elektronik und Neue Deutsche Welle: hack hack surrrr, zick zack, huiiii .. Nur manchmal blitzt Genie aus den Rillen („Regenwald“). Das Meiste aber gehört meiner Meinung nach in den Gulli.

Als Gegenposition zitiere ich gern nochmal den Werbetext von Sky:

„Natürlich lassen diese Skizzen alle ein wenig von dem Geheimnis durchklingen, das die Nacht nun mal umgibt Und der Hörer beut sich, diese Geheimnisse zu entdecken. Sie sind bunt, sie sind silbrig, und sie sind schön.“