Emerson, Lake & Palmer Story: Die erste Periode


Das Jahr 1962 ist für die internationale Popszene ein totes Jahr. Die letzten Rock’n’Roll-Helden sind müde und haben keine Arbeit mehr. Die einzigen Musiker, die mit ihrer Musik noch etwas verdienen, sind die Skiffle-Gruppen, die Abend für Abend in Kneipen ihr Repertoire zu Gehör bringen. Die Zeit steht still und man wartet im Allgemeinen auf die Beatles, die im Herbst 1962 mit ihrer Single Love Me Do‘ eine wahre Evolution in der Musikwelt heraufbeschwören. Während dieser grossen musikalischen Neuentwicklung arbeitet der 18jährige KEITH EMERSON eifrig an einer Karriere als Konzertpianist. Als er sein Studium beendet hat, fühlt er sich plötzlich mehr zur Popmusik hingezogen, die inzwischen unter der Bezeichnung ‚Merseybeat‘ in der ganzen Welt für Sensationen sorgt. Keith schliesst sich der Gruppe von GARY FARR und T. BOKES an und geht ein Jahr später zu THE VIPS, der Gruppe von Mike Harrison, Michael Kelly und Greg Ridley. Viele Monate später entsteht aus Vips die SPOOKY TOOTH. Schliesslich landet Keith in der Backing-group von P. P. ARNOLD. Dort begegnet ihm der Bassist LEE JACKSON, der ihm vorschlägt eine eigene Gruppe zu gründen. Keith geht auf diesen Vorschlag ein und in diesem Augenblick ist der Grundstein zu NICE gelegt, der schliesslich zu EMERSON, LAKE & PALMER führen wird

Keith Emerson & Nice

Nachdem Keith und Lee ihre Zukunftspläne besprochen haben, suchen sie Kontakt mit dem Schlagzeuger Brian Davidson, der früher bei Mark Leeman Five spielte. Diese Gruppe hört auf zu existieren, als Mark Leeman bei einem Autounfall im Frühjahr 1967 um’s Leben kommt. Obwohl Brian zuerst nicht viel Lust hat, bei Keith Emerson einzusteigen (er hatte sich nach Marks Tod geschworen, nie wieder seine Drumsticks anzurühren) gibt er schliesslich Keith’s Drängen nach. Als sich auch Gitarrist David O’List zu dem Trio gesellt, stellt sich im August eine neue Formation dem Publikum vor: Nlce! Das Repertoire von Nice erregt sehr schnell überall Aufsehen. 1968 ernennt man Keith Emerson zum besten Pianisten und Organisten der Welt, und diese Auszeichnung hat er nur seinem aussergewöhnlichem Talent zu verdanken. Er bespielt seine Instrumente mit Händen und Füssen, er tanzt über die Tasten und bearbeitet in aggressiven Launen seine Orgel mit einem Dolch. Die daraus entstehenden Töne kennzeichnen einen gewalttätigen, neurotischen Sound. Als Keith 1968 ausserdem als erster Rockmusiker bei einem Live-Konzert den Synthesizer vorstellt, nennt man ihn den ‚Jimi Hendrix‘ der Keyboards. „Die Musik der Nice bringt den Beat an den Rand der Improvisationsmöglichkeiten“, behaupten die Popzeitschriften. ,,Es ist ein gewagtes aber erfolgreiches Unternehmen, einen Mittelweg zwischen Beat und klassischer Musik zu finden!“ Die Presse analysiert die Musik von allen Seiten, aber es gelingt ihr nicht, sie richtig zu beurteilen. Im Repertoire von Nice befindet sich u.a. das Allegri des 3. Brandenburger Konzertes von Bach (Ars Longa Vita Brevis), das Intermezzo aus der Karelia Suite von Jean Sibelius und der 3. Teil der 6. Sinfonie von Tschaikowski. Obwohl die Gruppe ausserdem regelmässig Kompositionen von anderen Popkünstlern u.a. von Dylan und den Beatles bearbeiten, wird fast alles kritisiert. Man behauptet, die Formation sei zu bombastisch und steril. Gesangliche Kapazitäten würden in ihrer Musik ganz fehlen. Die von Emerson komponierte Five Bridges Suite‘ wird von der New York Times als ein banales Film-Klischee‘ abgestempelt. Bei ihrer Single America‘ hat sich die Gruppe einen besonderen Gag ausgedacht: Sie zerreisst als Höhepunkt die amerikanische Fahne! Die Scheibe befindet sich fast 16 Wochen in den obersten Regionen der englischen Hitparaden. Nice ist eine der populärsten und gehasstesten Gruppen jener Zeit. Und als Anfang 1969 die Nice zusammen mit dem Londoner Royal Sinfony Orchestra die Five Bridges Suite‘, The Pathetique‘ von Tschaikowski und Atmosphere von Lingetis zu Gehör bringen, glaubt Keith Emerson, seine musikalischen Möglichkeiten bei Nice bis zum letzten Ton ausgekostet zu haben. Er beschliesst, die Gruppe aufzulösen aber es gibt noch viele vertragliche Verpflichtungen, denen er nachkommen muss. Ende 1969 steht eine Amerika-Tour auf dem Programm, aber noch bevor sich die Gruppe zu dieser Tournee rüstet, verlässt Gitarrist David O’List die Nice.

King Crimson – auf der Suche nach einer anderen Musikrichtung

Im Sommer 1969 entsteht eine neue Gruppe, die für das gerade erst gegründete Island-Label eine Platte macht: King Crimson. Die Gruppe hat zwei Kernmitglieder: Robert Fripp und Pete Sinfield. Freunde. Musiker und Nachbarn helfen der Gruppe nur allzu gern bei der Verwirklichung ihrer Idee: Das Kreieren einer neuen Musikrichtung. Die Musiker machen Sessions, nehmen eine Platte auf und verschwinden anschliessend wieder von der Bildfläche. Niemand verlangt nach einer ständigen, festen Band. Innerhalb der Gruppe herrscht eine freie, kreative Atmosphäre, die Pete Sinfield als „sehr inspirierend“ b>

zeichnet. In der Ur-Besetzung, in der King Crimson die erste LP In The Court Of Crimson King‘ aufnimmt, mischt auch Greg Lake, der sich inzwischen auf Bass und akustische Gitarre spezialisiert hat, mit. Auf dieser allerersten Crimson-LP beteiligt er sich grösstenteils am Gesang und sein Gitärrenbeitrag steht im Hintergrund. Das Duo Fripp und Sinfield aber ist mit dieser Platte nicht zufrieden ‚und es dauert eine ganze Weile, bis sie veröffentlicht werden darf. Nach einem Hit in England macht sich die Gruppe zu einer Tournee durch die Vereinigten Staaten auf. Ihre Besetzung: Robert Fripp (Gitarre), Michael Giles (Schlagzeug), Greg Lake (Gesang, Bass) und Ian McDonalds (Keyboards, Flöte). Die Amerikaner aber sind von den chaotischen Klängen der Gruppe alles andere als begeistert und die Tournee wird ein glatter Reinfall. Als am 24. Dezember 1969 das letzte Konzert stattfinden soll, ziehen sich Michael Giles und Ian McDonald stillschweigend zurück. Die letzten Auftritte finden im Fillmore West in San Francisco statt. Und dort tritt auch eine andere Gruppe auf: The Nice .. .

Carl Palmer, Gründer von Atomic Rooster

1966 tritt der erst 16jahrige Schlagzeuger Carl Palmer mit Chris Farlowe’s Gruppe The Thunderbirds auf. Zwölf lange Monate trommelt er für Chris Farlowe, dann wechselt er zu Arthur Brown, der in dem langen, heissen Sommer von 1967 grosse Erfolge mit seiner Single Fire‘ verbuchen kann. Begleitet wird Brown von Vincent Crane auf der Orgel und Carl Palmer am Schlagzeug. Als – während einer Amerika-Tournee – die Popularität von Arthur Brown ihrem Ende entgegengeht, beschliessen Vincent und Carl, alleine weiter zu machen. In England arbeiten sie ihre Pläne aus und Ende 1967 gründen sie zusammen mit Nick Graham auf der Bassgitarre, die Gruppe Atomic Rooster. Nach einer vielversprechenden Debut-LP und sensationellen Auftritten muss Atomic Rooster ihre erste Enttäuschung^verarbeiten, als Mitte 1967 Carl Palmer die Gruppe verlässt und sich zu Keith Emerson gesellt.

Die ersten Schritte

Keith Emerson und Greg Lake lernen sich ganz zufällig in San Francisco kennen. Beide Gruppen, The Nice und King Crimson müssen drei Abende im Fillmore West auftreten und beide Gruppen übernachten im gleichen Hotel. Greg: „Wir kannten uns vorher nicht. Ich hatte die Nice erst einmal live gesehen. Am dritten Abend unserer Tour stimmten wir unsere Instrumente. Ganz plötzlich fingen Keith und ich an zu spielen.“ Emerson: „Greg spielte ein paar Akkorde auf seinem Bass und ich klimperte auf dem Piano und plötzlich geschah es . . .“ Keith Emerson teilt seiner Gruppe tags darauf mit, dass er aussteigen will und auch bei King Crimson ist es zu Uneinigkeiten gekommen. Keith und Greg beschliessen, zusammen nach New York zurückzufliegen. Sie wollen eine neue Grippe gründen . .

Sensation im Flugzeug, auf der Suche nach einem Schlagzeuger

Während der lanqen Flugreise wird dem Zweier-Gespann deutlich, dass es sich unheimlich gut versteht. Emerson: Kurz bevor wir den Flugplatz von New York verliessen setzten wir die Kopfhörer auf und vertieften uns in die Musik. Gespielt wurde die Peer Gynt Suite. Als sich die Motoren des Flugzeuges in Bewegung setzten, gelangte Peer Gynt in die Höhle des Bergkönigs. Der Lärm war kaum auszuhalten. Wir hörten die Musik der Platte zusammen mit dem Krach der Motoren. Als der Höhepunkt der Komposition genau mit dem Aufsteigen des Flugzeuges zusammenfiel, war die Sensation komplett. Greg und ich waren so aufgeregt, dass wir unsere Begeisterung laut herausschrien. Die anderen Passagiere dachten, wir wären verrückt geworden. Das war uns aber ganz egal. Wir wussten, dass wir uns auf der gleichen Wellenlänge befanden!“ in England merken sie. wie schwer es ist, einen geeigneten Schlagzeuger zu finden. Viele Drummer bieten sich an – darunter auch Mitch Mitchell von der Jimi Hendrix Experience – aber keiner erfüllt die Erwartungen von Keith und Greg. Schl’esslich fallt ihnen Carl Palmer ein. Leider wissen sie nicht wo er wohnt und kennen seme Telefonnummer nicht Deshalb ruft Keith Carls Agentur an „Ich rief an und behauptete, ich wäre ein Journalist der Yorkshire Evening Post und wollte ein Interview mit dem Drummer von Atomic Ftooster machen. Ich erklärte dem Mann am anderen Ende der Leitung, ich hätte weder Zeit noch Geld, um nach London zu fliegen und deshalb müsse das Interview telefonisch stattfinden. Nach langem Hin und Her bekam ich die Nummer und rief Carl an. Ich erzählte ihm von unseren Plänen und als er Interesse zeigte, mieteten wir am Soho Square ein Studio!“ Nach einer dreistündigen Session wusste man, „dass Carl Palmer nicht nur musikalisch gesehen sondern auch persönlich der richtige Mann für sie war. Die Basis war gelegt, was fehlte, war ein zugkräftiger Name. Von Triton, Stud. Farm und Millionen anderer Bezeichnungen kam man plötzlich auf die Idee, sich doch schlicht und einfach Emerson, Lake und Palmer zu nen

Was aus den Nice-Resten zum Vorschein kam

Die Nice sind tot. King Crimson hat Probleme und auch Atomic Rooster befindet sich am Rande des Abgrunds. Die beiden letztgenannten Gruppen kommen allerdings in einer anderen Besetzung wieder zurück und Nice-Bassist Lee Jackson formiert mit John McBurnie und Brian Chatton die Gruppe Jackson Heights. Diese Band kann einige nette Erfolge verzeichnen und bringt insgesamt zwei Langspielplatten auf den Markt. Ende 1973 trenn‘ sich ein Teil der Gruppe von der restlichen Formation und es erscheint eine neue Band: Refugee. Brian Davidson gründet ebenfalls eine neue Band, aber seine Gruppe Every Which Way ist bei weitem nicht so erfolgreich wie Jackson Heights. Die Gruppe macht eine LP, die allerdings nur in England veröffentlicht wird. Dieser Misserfolg trägt dazu bei, dass Every Which Way genau so schnell wieder von der Bildfläche verschwindet wie sie gekommen ist.

Wir sind am Ende der ersten Periode angelangt, die zur Gründung von Emerson, Lake & Palmer geführt hat. Nachfolgend alle LP’s, bei der die Gruppe direkt oder indirekt beteiligt war:

DISCOGRAPHIE

THE NICE

The Thought Of Emerlist Davjack

Ars Longa Vita Brevis

Nice Five Bridges Elegy

Keith Emerson With The Nice (Doppel-Album)

The Nice: Autumn ’67 – Spring ’68

Music From Free Creek – Session mit u.a. Keith Emerson, Todd Rundgren, Dr. John und Harvey Mandel.

ARTHUR BROWN The Crazy World Of Arthur Brown KING CRIMSON In The Court Of Crimson King In The Wake Of Poseidon ATOMIC ROOSTER Atomic Booster Assortiments

Die zweite Periode

Die frischgebackene Formation schliesst sich vier Monate lang in ein Studio ein und arbeitet ausschliesslich an ihrem Repertoire Die ersten Proben finden in Sheperd’s Bush statt. Innerhalb von 24 Stunden ziehen sie nach Hammersmith Town um, aber dort drohen die lieben Nachbarn wegen ruhestörendem Lärm mit der Polizei. Sehliesslich landen sie in den Londoner BBC-Studios, wo sie nach Herzenslust musizieren können. Es muss allerlei arrangiert werden und zwölfstündige Proben und noch länger sind keine Seltenheit. Obwohl der erste offizielle Emerson, Lake und Palmer-Auftritt auf der Isle Of Wight stattfinden soll, gibt die Gruppe eine Woche vorher in einem Club in Portsmouth ihr erstes Konzert. Dieser Auftritt sorgt für eine wahre Sensation. Ihr Programm dauert eineinhalb Stunden und nach drei weiteren Zugaben ist das Publikum immer noch nicht zufrieden. Als die Emerson-Version von B. Bumbles ‚Nutrocke‘ verklungen ist, weiss das Publikum, dass diese Gruppe aussergewöhnliches Talent besitzt. In der Presse stehen – wie damals bei Nice – die klassischen Randerscheinungen von ELP im Mittelpunkt vieler Diskussionen. Man betrachtet die Gruppe als direkte Nachfolger der Nice. In einem Interview gesteht Keith Emerson: ,,Wir haben sehr lange an einem guten Bühnenact gebaut. Ein Konzert muss eine Sensation sein. Die Nice hatten diese Sensation mit Five Bridges‘. Das wollen wir auch erreichen. Aber mit ganz neuem Material. Das Isle Of Wight Festival wird für ELP eine grosse Enttäuschung. Die Verstärkeranlage, die die Festival-Leitung gemietet hatte, erwies sich als schlecht. Die Gruppe hatte darüber keine Kontrolle und noch zu wenig Bühnenerfahrung. Sie steckte buchstäblich noch in den Kinderschuhen. Keith Emerson: „Schade, dass sich viele Leute von diesem Konzert beeinflussen Messen und behaupteten, wir wären eine schlechte Gruppe. Wir wissen, dass es ohne weiteres noch zwei Tourneen dauern kann, bis wir unsere Anlage völlig beherrschen!“ Nur am Rande wird in den Zeitungen vermerkt, dass ELP in ihrer Show zwei dreihundertjährige Kanonen abschiessen.

Am 21. September rüstet sicu turzu einer England-Tournee. Sie verbringen einen ganzen Tag vorher in jedem Saal, in dem sie auftreten müssen und testen ihre Anlage. Sie wollen die schlechten Kritiken mit einem überwältigenden Sound rächen. Inzwischen ist auch die erste LP aufgenommen und mehrere Songs für die zweite Platte sind fertiggestelt. Zuerst will die Gruppe die Scheibe unter dem Namen ‚Colour‘ auf den Markt bringen, schliesslich aber erscheint sie als ‚Emerson, Lake & Palmer‘. Die Aufnahmen dauerten relativ lange, denn es traten am laufenden Band technische Probleme mit dem Moog auf. Obwohl der Moog über 4,000 Dollar gekostet hatte, war es schwierig, die richtige Balance zu finden. Er musste immer wieder neu programmiert werden. Das Album erscheint im November. In einem Interview erzählt Greg über den Moog: „Der Moog als Basisinstrument ist in unserer Musik nicht mehr wegzudenken. Wenn wir das Instrument völlig beherrschen, sind unsere Möglichkeiten bei Live-Auftritten unbegrenzt. Bisher haben wir den richtigen Sound noch nicht gefunden, denn der Moog musste immer wieder neu programmiert werden. Aber auf unserer LP findet man bereits bessere Effekte. Was wir live nicht realisieren können, wird durch Keith’s sensationelle Show ausgeglichen.“ Nach einer kurzen aber sehr erfolgreichen Tour durch England reist ELP im Mai 1971 für fünf Wochen in die Vereinigten Staaten. Dort treten sie im Vorprogramm von Humble Pie, T. Rex, Cactus und Procol Harum auf. Fünf Wochen lang spielen sie in grossen Stadien vor einem 40 000-100 000 köpfigen Publikum. Die Kritiken sind sagenhaft. Ihre erste LP verkauft sich inneitialb einer Woche rund 40 000 Mal und wird eine Woche später vergoldet. Während eines Konzertes im Fillmore East befindet sich Miles Davis im Saal. Er hatte das Debut-Album von ELP gehört und war unheimlich begeistert von Carl Palmer’s Qualitäten am Schlagzeug. Der erste Auftritt dieser Tournee fand auf der Thiel-Universität von Pennsylvania statt. Der unwahrscheinliche Stromverbrauch der Gruppe sorgte dafür, dass der Strom viermal ausfiel und der Saal in Dunkeln lag. Trotzdem ist die Tournee erfolgreich und die Amerikaner sind begeistert. Das einzigste Problem ist die Entfernung der einzelnen Gastspiele. Die Gruppe beschäftigt drei Roadies, die die 5 Tonnen schwere Anlage aufbauen müssen. ELP aber befinden sich vor jedem Auftritt etwa sechs Stunden vorher auf der Bühne, um den Moog zu testen. Als die Gruppe schliesslich nach dem letzten Gig dieser Tournee totmüde das Hotel betritt, iji dem Zimmer für sie reserviert sind, sind diese bereits vergeben. „Hinterher stellte sich heraus, dass kurz vor uns die Grateful Dead erschienen waren und zwei Etagen gemietet hatten. Sie mussten 115 Leute unterbringen. Darunter nur Roadies und Freunde Wir waren nur zu sechst!“ Amerika ist für die Gruppe im Grunde genommen nur ein Test, aber der Erfolg war so gross, dass sie am liebsten schnell wie möglich wieder zurück wollen. Die Gruppe nimmt vier Tage Urlaub und danach findet eine kurze Europa-Tour statt. Bevor ELP im Juli zum zweitenmal nach Amerika geht, wird das Album ‚Tarkus‘ veröffentlicht, das innerhalb von sechs Tagen aufgenommen wurde.

Die Geschichte von Tarkus

Das Album, das ursprünglich Armadillo‘ heissen sollte, ist ein wesentlicher Schritt in die Richtung ihres eigenen Sounds. Die Geschichte handelt von einem in Harnas gehüllten Armadillo, der Feuer und Verderben spuckt. Sein Name ist Tarkus. Eigentlich ist es reine Fictionmusik, doch der Sound überrascht. Man nahm 5 Moog-Tracks auf und mischte sie miteinander. So entstand der Effekt eines ganzen Synfonie-Orchesters. Die Texte von Tarkus beziehen sich auf Streit und Konflikt und der musikalische Teil ist zu 95% arrangiert, so dass Emerson nur wenig Gelegenheit zum Improvisieren findet. Tarkus kriecht bei einem Erdbeben aus der Erde. Er geht auf die Reise und alles, was ihm unterwegs in den Weg kommt, vernichtet er. Unterwegs begegnet ihm ein Wesen, das den Körper eines Löwen, den Schwanz eines Skorpions und den Kopf eines Menschen hat. Im 6. Teil entfacht sich ein Streit und Tarkus geht wieder ins Wasser. „Die Geschichte berichtet von der Schöpfung der Welt, die Evolution in einer anderen Reihenfolge“, erklärt Keith Emerson später.

Der Zwischenfall in Prag

Die Idee für Tarkus stammt von Keith, der während einer langen Improvision auf dieses Stück kam. Er arbeitete es zu Hause in aller Ruhe aus und erzählte dann seinen Kollegen davon. Diese waren alles andere als begeistert und es entstand ein furchtbarer Streit, der in einer mehrstündigen Diskussion über Keith’s Ego-Tripperei endete. Schliesslich aber sahen sie ein, dass ohne diesen Ego-Trip keine neuen Dinge mehr zum Vorschein kommen würden und so wurde diese Komposition ausgearbeitet und aufgenommen. Carl: „Der Streit tat uns allen unheimlich gut. Der Effekt war grossartig und unser Sound auf dieser Platte ist sehr aggressiv. Keith hat sich unheimlich verbessert und interessiert’sich plötzlich für alles. Er ist laufend dabei, neue Sachen aufzustöbern und auszuarbeiten. Ich erinnere mich noch sehr gut an einen Zwischenfall in Prag. The Nice sollten auftreten und wurden auf dem Flugplatz von einigen Abgeordneten des Ministeriums für Kultur empfangen. Dieser Gig fand genau einen Tag nach der russischen Invasion in die CSSR statt. Keith verliess das Flugzeug, sah überall Panzer stehen und sagte zu dem Begrüssungskommitee: „Verdammt, wir sind in Russland!“ Keith: „Die Musik bringt uns in alle Länder. Man lernt Leute kennen. Menschen, die aus einer ganz anderen Kultur stammen. Ich habe in den letzten Jahren sagenhaft viel gesehen.“ Im Juli des gleichen Jahres plant man, ein Ballett aufzuführen und zwar mit dem Frankfurter Ballett und dem Sinfonie-Orchester. Die Idee dazu stammt vom Leiter des Frankfurter Ballets und man will das Stück ‚Pictures Of An Exhibition’aufführen. Das Konzert soll in Frankfurt stattfinden, weil dort drei bewegbare Bühnen zur Verfügung stehen. So kann dann das Orchester und die Gruppe abwechselnd verschwinden und dem Ballett Platz machen. Die Gruppe ist an dieser Aufführung sehr interessiert, zumal einer der vier Auftritte verfilmt werden soll. „Hoffentlich gibt es noch Leute, die sich für Ballett interessieren“, hofft Keith. „Ballett ist eine aussterbende Kunst. Vielleicht gelingt es uns, etwas daran zu ändern.“ Keith hat bereits in seiner Nice-Zeit mit einem grossen Orchester zusammengearbeitet und der Gedanke gefällt ihm. Das grösste Problem aber ist, eine 1.000 Watt-Gruppe mit einem 21/2 Watt-Orchester zu kombinieren. „Wir glauben licht, dass das Ganze über unsere technischen Möglichkeiten hinausgeht“, meinen sie optimistisch. „Bis jetzt ist uns immer alles gelungen.“

Rock ’n‘ Roll Schwerarbeiter

Emerson, Lake und Palmer arbeiten unheimlich hart. In 150 Tagen treten sie über 100 Mal auf. Ein Konzert dauert genau 90 Minuten und alles ist bis zu 90% arrangiert. Keith: „Ich mag keine Gruppen, die jedesmal stundenlang mit dem Rücken zum Publikum stehen, bis sie endlich den richtigen Sound gefunden haben. Ich bewundere die Who, denn sie fangen mit ihren Konzerten, die zweieinhalb Stunden dauern, immer auf die Minute genau an, ohne auch nur die geringste Verzögerung.“ Die zweite US-Tournee ist ebenfalls erfolgreich. Während dieser Tour sucht Keith Emerson Kontakt mit Robert Moog, dem Erfinder des gleichnamigen Instruments. Er bittet Robert, einem Konzert von ELP beizuwohnen, um sich mit den technischen Problemen des Moog vertraut zu machen. Der Moog ist im Grunde genommen nur eine Sammlung von elektronischen Tönen, die in jedem guten Studio zu finden sind. Nur ist alles viel handlicher in einem Instrument zusammengefasst.

Nach Lappland

Im November plant man eine wertere Welttournee. Auf dem Programm stehen Japan, Australien, Amerika und Europa. Pläne für Filmmusik sind inzwischen ebenfalls vorhanden. Ausserdem will man vier Konzerte in Amerika zusammen mit dem Frankfurter Ballet geben. Die Gruppe fliegt aber zuerst nach Lappland, um Ideen für ihre neue LP, die im Frühling 1972 erscheint, zusammeln. Ende 1971 tourt ELP – sozusagen als Weihnachtsgeschenk für ihre Fans – durch England. Gerade eben ist auch eine preiswerte Ausgabe von ‚Pictures At An Exhibition‘ veröffentlicht, die in der Newcastle Ball aufgenommen wurde und die mit Emerson’s Version von ‚Nut Rocker‘ komplettiert wurde.

Der elp-Film

Im März 1972 wird im Londoner Lyceum der Film ‚Pictures At An Exhibition‘ aufgenommen. Die Gruppe ist mit dem endgültigen Resultat alles andere als zufrieden. Greg: „Die Kinos verlangen unwahrscheinlich hohe Eintrittspreise für ein schlechtes Produkt. Mein Name wird unter der Rubrik Soundproduktion genannt aber ich möchte darüber keine Verantwortung ablegen. Ich bekam von den Filmleuten ein 8-Spur-Tonbandgerät, das Mitten in den Aufnahmen ablief. Es mussten in Windeseile die Bänder gewechselt werden und hinterher stellte sich heraus, dass das Schlagzeug auf der Spur des Pianos stand und der Bass auf der Spur der Orgel. Ich habe versucht, das beste daraus zu machen, aber es wäre mir lieber gewesen, wenn sie meinen Namen nicht genannt hätten.

Trilogy + Solo-Album

Im April verlasst die Gruppe ihr E.G. Management und nimmt ihre geschäftlichen Angelegenheiten selbst in die Hand. „Wir wollen soviel Geld wie möglich verdienen. Seit unserer Gründung hatten wir keinen Urlaub mehr. Wir arbeiten 15 Stunden am Tag und glauben, dass wir gute Arbeit geleistet haben. Das Honorar muss dementsprechend sein. Das ist logisch!“ Nach einer Tournee durch Europa – Höhepunkt war ein Auftritt in Rom, bei dem etwa 20.000 Leute der Gruppe zujubelten – erscheint das Album ‚Trilogy‘. Die Kritiker nennen es einen grossartigen Nach folger der zwei ersten LP’s und man behauptet, dass die Gruppe noch eine grosse Karriere vor sich hat. Bevor ELP wieder nach Arnenka fahrt, arbeitet Greg an einem Solo-Album. Geholfen wird ihm dabei von einigen Jazz-Musikern. Ausserdem produziert er für die Gruppe ‚Spontaneous Combustion‘ – eine Band in der nur 15jährige spielen – ein Album. Über seine Solo-Scheibe berichtet Greg: „Ich versuche mit dieser Platte meine musikalischen Einflüsse zu verwerten. Ausserdem möchte ich noch etwas mit dem Orchester von Joseph Enger machen. Die erste Seite ist bereits fertig. Ich habe drei sehr jazzorientierte Stücke aufgenommen, zusammen mit Jon Hiseman.“ (Diese LP wird allerdings nie erscheinen).

Im gleichen Interview, das übrigens drei Stunden dauert, erzählt Emerson weiter:

…Marc Bolan von T.-Rex findet, dass unsere Musik keinen Platz in der Popwelt verdient. Er kann sich kaum vorstellen, dass es Leute gibt, die unsere Musik mögen . . .

…Ich lebe nur für meine Musik. Das erste Mal, dass ich mich wirklich über etwas aufregte, war nach dem Mord auf Robert Kennedy. Das war noch bei Nice. Wir verbrannten damals bei unserer Nummer America die amerikanische Fahne. Deshalb durften wir nie wieder in der Royal Albert Hall auftreten . . .

. . . Free-Konzerte sind eine feine Sache. Ich bin dafür. Aber erkläre einmal den Roadies, dass sie die Anlage auf die Bühne schleppen müssen, ohne einen Pfennig daran zu verdienen . .. … Ich glaube nicht, dass unsere Musik irgendeine Botschaft enthält.

Meiner Meinung nach ist das auch nicht unbedingt notwendig . . .

. . . Komponisten wie Bach, Bartok, Prokoview und Stockhausen haben mich beeinflusst . . .

. . . Früher besuchte ich regelmässig klassische Konzerte. Jetzt befinde ich mich zwischen Jazz, Klassik und Rock . . .“

Unzufrieden

Im September 72, kurz nach ihrer gigantischen Tour durch Amerika, kommt es zu Unstimmigkeiten innerhalb der Gruppe. Keith gibt zu. dass er lieber mit Streichern auftreten würde und Carl Palmer will am liebsten nur noch drei bis vier LP’s im Jahr veröffentlichen und gar nicht mehr auftreten. Die ewigen Tourneen, der Kreislauf nervt ihn, macht ihn nervös. Keith: „Ich will in die Geschichte der Popmusik eingehen. Ich weis, dass meine Musik erst in zehn Jahren zu gebrauchen ist und erst dann wirkliche Anerkennung findet. Darum spiele ich jetzt auch Jazz und klassische Musik. Das beste Beispiel ist das 3. Pianokonzert von Prokoview. Ich habe es schon unheimlich oft gehört und doch entdecke ich immer wieder neue Dinge daran . . .

Manticore

Trotz dieser Meinungsverschiedenheiten bleibt die Gruppe weiterhin zusammen. Im Februar 1973 erscheint ELP’s eigenes Label ‚Manticore‘. Im englischen Duden wird Manticore als ein riesengrosses Monster mit dem Körper eines Löwen, dem Kopf eines Menschen, den Stacheln eines Stachelschweines und dem Schwanz einen Skorpions umschrieben. Die Plattenfirma Island hat ebenfalls Anteile an Manticore und der erste Künstler, der mit der Firma einen Vertrag abschliesst, ist Pete Sinfield, der gerade King Crimson verlassen hat.

Stage-Act: ‚get me a ladder‘

Nicht nur Gruppen wie Genesis und Alice Cooper, sondern auch ELP kommen im März 1973 auf die Idee, einen duften Bühnenact einzustudieren. Einige Monate vorher hatten sie an einer geeigneten Show gearbeitet und schliesslich nennen sie sie Get Me A Ladder‘. Für die Proben mieten sie ein komplettes Soundstudio. Die fahrbare Bühne ist etwa 20 Fuss hoch und Effekte mit Spiegeln, Trockeneis und Rauch sind vorgesehen. Das grösste Problem der Tournee, die am 30. März in Kiel beginnen soll, ist der Transport. Die Roadies von ELP haben es nicht leicht. Es gibt sogar einen Roadie, der nur damit beschäftigt ist, morgens die anderen Roadies aus dem Bett zu trommeln. Get Me A Ladder‘ ist das grösste Projekt, das je von einer Gruppe auf die Beine gestellt ist. 50 Angestellte, 20 Tonnen Anlage im Werte von drei Millionen Mark, zwei Busse für die Angestellten und drei Sattelschlepper für den Transport der Bühnenaufbauten, gehören dazu. Die Gruppe gibt in Europa in 32 Tagen 28 Konzerte, die von 250.000 Leuten besucht werden. Nach dieser grandiosen Europa-Tournee geht es weiter nach Amerika wo die Show ihre Premiere in Chicago erlebt. Die Roadies, in Europa waren es über 80, sind inzwischen wieder auf 45 Mann reduziert worden. „Diese Leute haben wir aber nötig, denn allein die Anlage von Keith ist so gross, dass sie kaum in einen mittleren Musikladen passt“, behauptet Greg. Während dieser Tournee durch die Vereinigten Staaten werden einige Stücke der neuen LP ‚Brain Salad Surgery‘ dem Publikum vorgestellt.

Schlechteste Lp

Als Ende 1973 das Album Brain Salad Surgery‘ erscheint, behauptet die Presse, es wäre mit ELP vorbei. Emerson: „Es gibt Leute, die behaupten, wir hätten die Platte nur veröffentlicht, weil wir wieder etwas von uns hören lassen wollten. Das stimmt nicht. Wir haben etwa 650 Stunden im Studio daran gearbeitet und kurz vor der Veröffentlichung bin ich nach Wien geflogen, um mich von Ginestra beraten zu lassen, weil sich auch ein Stück von ihm auf dieser Platte befinde.“ Greg: „Wir schrieben etwa 18 Monate lang an dem neuen Material und haben alles sorgfältig im Studio ausgearbeitet. Wenn die Presse dann oberflächlich über uns urteilt – so als hätten wir das Album in drei Wochen zusammengeschustert – dann kann man schon verzweifeln.“

Wie es mit Emerson, Lake & Palmer weitergehen wird, steht eigentlich in den Sternen. Ob die ELP-Europa-Tour ’74, die im Mai auch durch Deutschland führte, den Schlusspunkt einer beinahe unglaublichen Karriere dreier Musiker darstellt oder nicht – das muss man einfach abwarten.

DISCOGRAPHIE

Emerson, Lake & Palmer (Island ILPS 85382)

Tarkus (Island IT 85527)

Pictures AT An Exhibition (Island ET 85804)

Trilogy (Island IT 86230)

Brain Salad Surgery (Manticore IT 87302)

Besetzung

Keith Emerson (geb. 2. November 1944) Greg Lake (geb. 10. November 1947) Carl Palmer (geb. 20. März 1950)