Hellmut Hattler


Einigen Rockfreunden mag es entgangen sein, den Kxaan-Fans ganz sicherlich nicht: die Band existiert nicht mehr. Dafür ist Hellmut Hattler, 6 Jahre lang Bassist, Publikumsliebling und kreativer Pol von Kraan, am Bass und am Ball geblieben. Ergebnis: das sehr lockere und unbeschwerte Solo - Album "Bassball". Nicht so gut glückte dagegen Hattlers Versuch, auch auf den Bühnenbrettern wieder ganz oben zu stehen. Ingeborg Schober erlebte ihn mit seiner neuen Begleitband in München.

Die Zuversicht und Euphorie, mit der Hellmut vor ein paar Wochen über seine „neue Freiheit“ sprach, ließ mich gespannt auf die erste Tournee ohne Kraan warten. „Bassball“ mit zahlreichen deutschen Studiogästen eingespielt, wurde auch als Name für die Tour-Band übernommen. Der erste peinliche Fehler unterlief allerdings der Plattenfirma, die „Hellmut Hattler und Kraan auf Tournee“ in ihren Anzeigen ankündigte. Verständliche Verärgerung seitens der Band, die die Erwartungen etlicher Konzertbesucher natürlich nicht erfüllen konnte. Dies wäre ein verzeihbarer Fehler gewesen, wäre das Konzert selbst nicht eine herbe Enttäuschung geworden gerade für mich, als ausgesprochener Hattler-Fan. Der Bassball-Auftritt im Münchener Downtown, der dritte auf der Tournee, dämpfte somit arg meine Begeisterung über das gelungene Solo-Album. Und nicht nur mir stellte sich die Frage: Was war hier wieder einmal schiefgelaufen mit deutschem Rock?

Die Band selbst schien guter Dinge zu sein und von ihrer Sache überzeugt, im Gegensatz zu den rund 400 Besuchern in München. Dabei hörte sich die Besetzung vielversprechend an: Ingo Bischof, Keyboards (Ex-Kraan); Roland Schaeffer, Saxophon, Gitarre, Gesang (Guru Guru); Hubert Stütz, Gitarre, Gesang; schließlich Udo Dahmen, Schlagzeug (Charlie Mariano Band), der sich schnell als einziger Lichtblick neben Hattler zeigte. Er bekam denn auch seinen wohlverdienten Szenenapplaus für ein sehr einfallsreiches Solo. Doch sonst hatte man die meiste Zeit das Gefühl, Hellmut Hattler stehe mit seinem Bass allein auf weiter Flur.

Mal hü, mal hott typisch deutsch?

Obwohl man doch diese Besetzung als Sessionoder Backing-Band betrachten mußte, schien sich keiner der Musiker so recht Hattlers Kompositionen unterordnen zu wollen. Bot die Band schon äußerlich kein homogenes Bild, so ging es hier musikalisch wieder einmal typisch deutsch zu mal hü, mal hott in die eine oder andere Richtung.

Die meisten der Hattler-Kompositionen waren bis zur Unkenntlichkeit aufgelöst, statt klarer Melodieführung und Arrangementtreue herrschte eine derart solistische Eigenwilligkeit vor, daß es den Anschein hatte, als ob sich statt einer Band fünf Virtuosen den Auftritt teilten. Man hätte gut daran getan, die auf der LP wohlplazierten Soli auf Hattler zu beschränken, der ja nach wie vor die Zentralfigur ist und zudem auf seinem Bass Geschichten erzählen kann, wie kaum ein anderer. So aber verloren die Stücke an Charakter, und aus einer runden Sache wurde hier ein ziemlich verbeulter Baseball. Während die LP und auch Hattlers Person eine Präsentation so spritzig wie Sekt versprach, machte sich auf der Bühne eher abgestandene Improvisationsmuffigkeit breit. Und der angenehme, warme und aquarelle Sound der LP verschwand in einem schlechtausgesteuerten schrillen, überlauten Tonbrei, in dem sich nicht selten gerade Saxophon und Keyboards im richtigen Ton vergriffen.

Je später der Abend, desto länger und unübersichtlicher die Stücke. „Wenn die Kraaniche ziehen“ zum Beispiel löste sich in, pardon, totale Kakophonie auf. Einerseits also eine sträfliche Disziplinlosigkeit, wenn sich Egos und Stilauffassungen im Wege standen, andererseits statt der nötigen Lässigkeit Verkrampfung und ehrgeizige Starrköpfigkeit. Hier muß Hattler wohl auf seinem Alleingang lernen, daß er sich mit Selbstbehauptung und Autorität durchsetzen muß, will er nicht am Ende in den Solo-Trip anderer Musiker eingespannt werden.

Vielleicht ist das auch eine Sache der Zeit, der Weltanschauung und des Geschmacks. Ein anderer Punkt, den man heutzutage bei deutschen Profimusikern nicht mehr so nonchalant schlucken will, was auch die Publikumsreaktion zeigte, ist der noch immer freundschaftlich-dilettantische Umgang mit dem Equipment. Es geht einfach nicht an, daß man ständig während des Konzerts, sozusagen publikumsoffen, mit dem Mixer Rücksprache hält. So etwas wird nicht als transparente Kommunikation empfunden, sondern einfach als störend und lästig. Selbst Hattlers Optimismus und fröhlicher Plauderton „Punk-Jazz nennen wir das, was jetzt kommt“ konnte nicht drüber hinwegtäuschen, daß sich hier keine optimale Besetzung zusammengefunden hat. Das zeigte sich gerade im letzten Teil des Konzerts, als das Titelstück „Bassball“ gespielt wurde. Zum ersten Mal passierte hier mehr als auf der Platte, sang Hattler wesentlich ungehemmter und selbstsicherer und zauberte für kurze Zeit jenen Esprit und Witz herbei, den man den ganzen Abend über vermißte.

Harte Zeiten für Solisten

Das gibt zu denken. Ist eine Solo-Arbeit mit einer vorübergehenden Band in Deutschland überhaupt möglich? Und wenn, dann vielleicht nur mit taufrischen, unbelasteten Musikern, die eine sehr ähnliche Auffassung, in diesem Fall wie Hattler, haben. Und dann nur wiederum, wenn sich der Hauptakteur dazu durchringen kann, eine straffe Regie zu führen, auch wenn er dafür vielleicht in den Ruf eines musikalischen Diktators gerät. Das gilt wohl für alle Solo-Projekte, die gerade in diesen Tagen in Deutschland überhand nehmen. Denn eine schöne Platte macht noch lange keinen Sommer.