im plattentest


Wir haben uns mit Edgar Froese, dem Gitarren und Synthesizer-Spezialisten von Tangerine Dream, zusammengesetzt und ihm fünf Titel aus verschiedenen LPs vorgespielt. Er wusste nicht um welche Interpreten es sich handelte, die musste er erraten. Überrascht hat uns dabei sein musikalisches Einfühlungsvermögen mit dem er meistens richtig lag. Ihm hat die Sache viel Spass gemacht, war es doch auch eine Möglichkeit, seinen musikalischen Rahmen einmal abzugrenzen.

FURTHER EXPLORATIONS FOR ALBERT STINSON

Fairyland – Larry Coyell Leider habe ich keine Ahnung wer das sein könnte. Doch, und das glaube ich, muss man betonen, es handelt sich hier um eine sehr erfrischende Live-Aufnahme. Zuerst meinte ich, dass es eine deutsche Gruppe sei, aber bei genauem Hinhören stellt man fest, dass es in Deutschland nicht so einen Gitarristen gibt. Der gute Mann ist sehr jazz-orientiert und hat einen enormen Swing, der aber schon kräftig rockt. Da es nur drei Instrumente sind, Bass, Schlagzeug und Gitarre, ist naturgemäß die instrumentale Vielfalt sehr eingeschränkt. Nur bei dieser Nummer kommt es auf das Wie an und nicht auf das was ich mache. Dieses Wie ist den Dreien sehr gut gelungen. Da die Musik stellenweise an fünf Jahre altes erinnert, kann ich mir vorstellen, dass die Leute schon etwas älter sind und auch schon einen dementsprechenden musikalischen Durchblick haben. Doch das Schöne bei dieser Aufnahme ist, dass sie sich nicht reproduzieren, sondern dieses fünf Jahre alte als einen festen Bestandteil in ihre Musik integrieren.

TRILOGY Trilogy – Emerson, Lake & Palmer

Ich finde, dass Dir der Übergang von der ersten drei-Mann-Formation zu einer zweiten sehr gut gelungen ist.

In diesem Fall war es nicht schwierig, herauszufinden, dass hier Emerson, Lake & Palmer am Werke sind, genauer Emerson mal wieder alle Register zieht. Ich bin ehrlich, wenn ich sage, dass ich diese drei-Mann-Gruppe sehr schizophren finde. Seit ihrer ersten „Nice“-Platte, um jetzt nur mal den Hauptakteur Keith Emerson abzugrenzen, fand ich die Gruppe ziemlich okay. Wahrscheinlich weil das Konzept ansprechender war. Doch sämtliche ELP Scheiben sind für mich zerrissen und aufgebläht. Auch das Stück, welches Du mir vorgespielt hast, hat den eben erwähnten Charakter. Das fing mit Pseudo-Experimenten an, leitete dann in eine auf Emerson zugeschnittene Instrumentalphase über, es folgten die Mosaiksteinchen von Greg Lake und zum Schluss blieben nur noch Fragmente übrig, die mich ehrlich gesagt nervös machen. Bei sämtlichen ELP-Sachen kann ich mich nur an Fragmente erinnern. Zwar ist die Musik von den Beteiligten sehr ausgefeilt konzipiert worden, doch sie machen zuviel, sie packen zuviel in ihre Titel hinein. Sie haben auf- und übereinander gestapelt, so dass im Gesamten ein musikalisches Trümmergrundstück an das nächste gereiht wird.

PANTAGRUEL’S NATIVITY Gentle Giant

Von diesem Titel bin ich nicht allzu sehr beeindruckt. Mir ist die Orchestrierung zu modisch. Es ist alles gut plaziert. Was mir gut gefallen hat, war die Stimme, die man indirekt aufgenommen hat. Das heisst, sie auf einem Umweg über eine Schallwand eingespielt hat. Dadurch klingt das Ganze manchmal sehr weiträumig. Es wurde auch, wie ich gehört habe, ein Synthesizer eingesetzt, doch sehr sparsam. Viel Mühe hat man sich nicht gemacht, sondern eine einmal gesteckte Einstellung monoton beibehalten. Es gab zum Teil gute Passagen der Gitarre, wenn sie im Playbackverfahren aufgenommen wurde. Doch meistens blieb der Musiker nach einem kurzen Lauf an einer ziemlich unpassenden Stelle stehen und behinderte dadurch den Fluss der Musik. Spannung gab es selten. Ich glaube, dass man sich auch keine Mühe gegeben hat, welche zu erzeugen. Die Musik wirkt zu einseitig, wie eine Schmalspureisenbahn. Bei mir hinterliess das Ganze einen Plus-Minus-Null-Effekt. Nicht aufregend, aber auch nicht langweilig, sondern genau zwischen den Begriffen. Etwas deplaziert fand ich. Wer waren die Leute? GENTLE GIANT. Ich habe sie zwar schon mal gehört, doch ansprechend habe ich sie bisher noch nie befunden.

WHERE BUT FOR CARAVAN WOULD I Caravan

Ich kann nicht eindeutig sagen, wen ich da heraus gehört habe, doch ich würde auf „Caravan“ oder „Moody Blues“ tippen. Eine Einschränkung muss ich jedoch machen. Ich könnte mir vorstellen, wenn ich von Caravan spreche, dass es sich um eine alte Aufnahme handelt. Denn in dieser Form musiziert die Gruppe heute nicht mehr. Wieso ich auf Caravan gekommen bin? Ja, es schimmert auch bei diesem alten Titel eine gewisse Unproblematik durch, die heute zu einem Merkmal für diese Formation geworden ist. Doch meine ich, dass man sich damals noch zu wenig mit den instrumentellen Möglichkeiten auseinander gesetzt hat. Besonders ist das an den zu monotonen Einsätzen der Hammond M 100 festzustellen. Heute setzt die Gruppe ihre Instrumente reifer ein, haben sie doch auch eine musikalisch logische Entwicklung hinter sich. Was noch interessant ist, dass sie im vorgestellten Stück Teile stiefmütterlich behandeln, die heute auf das Perfekteste ausgearbeitet werden. Hör‘ dir mal die jetzigen Spielereien auf der M 100 an, dann weisst du, was ich meine. Etwas Gutes hat die LP „Caravan“, sie ist ein gutes Lehrmittel dafür, wie sich Ansätze musikalisch entwickeln können.

LADIES OF THE ROAD Island – King Crimson

Zuerst war ich ziemlich unsicher und es kam mir „John Lennon“ in den Sinn. Besonders wegen seiner sonoren Stimme und auch wegen dem nach vorne geholten Background und der kurz verhallten Stimme. Durchgeblickt habe ich beim Saxophon von Mel Collins. Ich glaube, wer „Court of King Crimson“ und „Wake of Poseidon“ kennt, der wird mir zustimmen, dass seine Phrasierungen einmalig und immer wieder zu identifizieren sind. In dem vorgestellten Titel hat man eine Live-Atmosphäre fast lückenlos ins Studio geholt, ich meine, das ist immer die grösste Schwierigkeit, die sich einem Musiker stellt. Dabei ist es egal, welche Stilrichtung er spielt. Nur eins ist wichtig, die sterile Studioatmosphäre zu überbrücken. King Crimson ist es auch hier wieder gelungen. Bei dieser Gruppe spielt die textliche und musikalische Aussage die gleiche Rolle. In diesem Stück werden fast alle musikalischen Stilmittel genutzt, von versetzten Taktmässigkeiten bis hin zu fast schon kommerziellen Phrasen. Und das Ganze wird durch die musikalischen Explosionen eines Mel Collins, Ian Wallace, Boz und Robert Fripp unterstützt. Es ist schade, dass es King Crimson nicht mehr gibt.