Krumme Schnäbel aus dem Alltag


Es bahnte sich ja schon länger an, doch spätestens seit 2007 ist britische Popmusik nicht länger das musikalische Hoheitsgewässer bekokster Wildlederschuh-Schnösel mit dunkel getönter Sonnenbrille und zackiger Anzug-Burschen mit F.-Scott-Fitzgerald-Vorliebe. Britpop 2.0 ist eine Vorort-Pommesbude mit Hochhaus-Hintergrund. Die Pionierarbeit für das Ganze leistete Mike Skinner, der schon auf dem ersten The-Streets-Album von 2002 in windschiefem Smart-Proll-Cockney über seine seltsamen Kumpel, Fish&Chips-Einkäufe, Spielkonsolenexzesse und andere Alltäglichkeiten parlierte. Einen weiteren Schub bekam das Para-Cenre des englischen Alltagspop von den Arctic Monkeys. deren charmant fast aller Konsonanten beraubte Texte allseits bekannte Jugend-Tristesse bis in kleine Details durchdeklinierten. Doch erst mit den 2OO7er-Erfolgen von Lily Allen,JamieT“Just Jack und zuletzt Kate Nash lässt sich das Ganze als (bislang weitestgehend erfreulicher) Trend fassen: Man ist hörbar down mit seinen Hörern. Man holt sie dort ab, wo sie sind: bei der blöden Beziehung, beim Ausgehabend mit den Freunden, bei den doofen Eltern- kurz: überall dort, wo das berühmte einfache Leben spielt. Die besten der genannten Protagonisten romantisieren jedoch nicht. Sie überzeichnen, veralbern, karikieren und lassen im Idealfall sogar ein heiß pochendes Herz hinter ihren Beobachtungen erkennen. Fast so, als wäre Popmusik endlich wirklich ein Nick-Hornby-Roman aus der Zeit, als Hornby noch prall ins Leben griff. Vor allem der hierzulande leider etwas untergegangene Jamie T. sei noch mal äußerst lobend erwähnt. Sein Debüt Panic prevention klang, als wäre Billy Bragg ein Grime-Musiker mit Joe- Strummer-Fimmel und Vorliebe für inspiriertes Pub-Geschwafel. Und so wahrheitsnah, wie es nur jemand mit krumm gewachsenem Mundwerk sein kann. Doch was, wenn der Trend nach Deutschland überschwappte und auch hier künftig dem eigenen Schnabel hinterher und munter über hiesige Alltäglichkeiten gesungen würde? Was wären die Folgen? Ein Revival des Mundart-Rock mit BAP und der Spider Murphy Gang? Sportfreunde-Stiller-Songs auf Bayrisch? Es dürfte schwerfallen, die sprachliche Leichtigkeit und den schnodderigen Erzählton der Briten auf deutsche Möglichkeiten zu übertragen-zu kantig scheinen hierzulande sowohl Sprache wie Kultur. Es sei denn De Höhner veröffentlichen ein kölschsprachiges Album über das Leben eines jugendlichen Schnauzbartträgers.