Kurz & Klein


Die neue Nüchternheit im Ton, mit der ja die Kollegen schon mit Erfolg Klaumauk ersetzten, den wir hier einst so sehr schätzten, mach auch ich mir nun zu eigen, um den Lesern so zu zeigen, dass Kritik was Ernstes ist, und dass man nicht in Reimen disst:

Ein kleiner Beitrag zur Ent-Emofizierung Nord-Amerikas: Da eine Band nur so lange „Emo“ sein kann, wie ihr Name ganz und gar unbekannt ist, haben Moneen in diesem Genre keine Zukunft. Natürlich ist es nicht nur die Nennung im ME, die ihnen das Genick brechen wird die Kanadier, die sich nach einem „beautiful french girl“ benannt haben und ihre Musik in vorauseilendem Gehorsam nicht als „Emo“, sondern als „agressiven, melodischen Pop“ bezeichnen – wo doch jeder weiß, dass das im weitesten Sinne sowieso einem Genre zuzuordnen ist, das die Mutter eines guten Freundes schlicht und einfach „laute Musik“ nennt-, haben einen Vertrag bei dem Label Vagrant unterschrieben, weshalb sie in den Augen der Fundamentalisten sowieso zum Sell-Out aller Sell-Outs mutiert sind. Ihr Album ARE WE REALLS HAPPY WITh WHO WE ARE RIGHT NOW? (Vagrant/Cargo) ist trotzdem ganz unterhaltsam, voll euphorisch und enthält immerhin die längsten Songtitel der Welt. Nur – ob das irgendjemanden interessieren wird? Wo sich doch schon niemand für … zum Beispiel Brand News DEJA ENTENDU (Epitaph, 2003) begeistern konnte, obwohl das sogar noch deutlich besser war.

„And now“, um die überziüerten Monty Python noch ein weiteres mal zu bemühen, „for something completely different“: Der argentinischen Formation La Chicana könnte es mit TANGO AGAZAPADO (Galileo MC) gelingen, endlich die Fesseln ihrer „Weltmusik“-Kategorisierung zu sprengen. Das Quintett um Sängerin Dolores Solä fuhrt den Tango auf moderne Weise zu seinen Wurzeln zurück und befreit ihn von Kitsch und Klischees. In den Songs und daran erkennt man die wahren Meister des Genres brennt nicht nur die Leidenschaft, sondern funkelt auch die List, die seit jeher zentraler Bestandteil der authentischen Tango-Kultur ist. Prädikat: wertvoll. Beim gleichen Label erscheint im Übrigen derzeit auch das x-te und wieder mal reichlich romantische Soloalbum des portugiesischen Madredeus-Gitarristen Jose Peixoto: es heißt ESTRELA und ist eine Zusammenarbeit mit der Sängerin Filipa Pais.

So schön kurzweilige Musik wüsste man wohl nicht zu schätzen, gäbe es nicht auch so viel langweilige. Im Falle der Engineers aus London ist es nur konsequent, dass sie einen „verrückten Deutschen“ engagiert haben, der optische Effekte für die Live-Shows entwirft, um die endlosen faden Passagen in den getragenen, psychedelischen Popsongs auf der Debüt-EP FOLLY (PIAS) vergessen zu machen. „Er hat so viele brillante Ideen“, sagt die Band in aufrichtiger Bewunderung. Oder ist es Neid? Sollte die bald folgende Debüt-LP wie angekündigt tatsächlich so experimentell und emotional wie Talk Talks SPIRIT OF EDEN werden, wird das selbstverständlich hier vermeldet.

Craig Ross, Sänger und Songschreiber der Band The Greater Good, hat ein Problem: Entweder denkt er sich schöne Strophen aus, zu denen ihm kein schöner Refrain einfallen will („Get Out Of The Water“), oder er hat eine tolle Melodie für den Refrain, winselt aber orientierungslos bei den Versen nun („Gone“). Das Album THE GREATER GOOD (lndia Records) will man deshalb so recht ins Herz nicht schließen, obwohl es durchaus seine Momente hat. Vielleicht sollte der erfahrene Produzent und Studiomusiker (Lisa Germano, Natalie Merchant, Vanessa Paradis) das nächste Mal einen noch erfahreneren Produzenten zu Rate ziehen.

Menschen, die EmilidingsbumsTortelialini gut finden, werden vermutlich auch Gefallen an INTO THE BLACK (Track & Field), dem neuen Album der britischen Avantgarde-/Alt-Country-Kapelle Tompaulin, finden: Sachte und zart wird hier Musik gemacht, die, weil zwischen den Zeilen ein wenig wärmer als zum Beispiel die von Edison Woods, durchaus das Herz anrührt.

The Koreans gelten im Land der grenzenlosen Übertreibungen bereits als „one of the most exciting British bands in years“und sind sowieso „the future of the UK music scene.“ Zudem liest man auch von „ausverkauften Shows “ und „bejubelten Auftritten“ in, nun ja, Korea, weshalb wir der Band aus Süd-London natürlich sofort einen Platz im „Kurz & Klein“-Kasten freigemacht haben. Die falschen Koreaner versuchen es mit Altbewährtem: pathetischen Melodien, ein bisschen Elektro-Punk und Texten mit viel „Emotion“ und „I feel so low“, etc. Mittel-exciting, really.