Mit den Sound-Gangstern von Coldcut im Techno-Land des Deutschen Mueseums


"Wir sampeln alles" ist Ihr Wahlspruch. Stimmt - bei dem exklusiv für ME/Sounds ausgeheckten Sound-Raubzug durch den Techno-Tempel an der Isar war kein Lärm vor diesen zwei Briten sicher.

Wo sonst zwischen Dampfloks, Düsenfliegern und antikem Hochspannungsgerät genervte Väter von ihren wißbegierigen Söhnen mit Fragen gelöchert werden, huschen heute zwei finstere sonnenbebrillte Gestalten herum. „Das ist ja wie im Schlaraffenland“, schwärmt Coldcut Matt Black und fuchtelt mit dem Mikrofon, neben ihrem Recorder wichtigstes Werkzeug der britischen Klangknackerbande. „Hier hätten wir einen Haufen abgefahrener Sounds gefunden. Knistern, Motorenlärm, Dampfzischen – eine richtige Sinfonie in meinen Ohren. “ Auch ohne die industrielle Kakophonie des Deutschen Museums ist Coldcuts aktueller Longplayer WHATS THAT NOISE? ein gigantisches Klang-Puzzle geworden. Aufgeblasene Baßlinien, gestohlene Grooves und Snare-Samples, groteske Bruchstücke aus der Rock-Geschichte. Disco 2000 meets The Fall, Tarzan meets Jane’s Addiction. Was soll der Lärm? „Das ist doch das schönste Spiel seil Erfindung von Scrabble“, erklärt Matt. „Je schwieriger es ist, aus diesem Wust das Original herauszuhören, umso interessanter wird für mich das Stück.“

Dennoch hebt sich der neue Vinyl-Streich von vielen Produktionen aus der Sparte „Spieltrieb des DJs“ ab, die Songs haben zum Teil fast klassische Strukturen. „Das trennt die Spreu vom Weizen“, wirft die andere Coldcut-Hälfte Jonathan Moore ein, „und trotzdem glaube ich, daß Leute wie Michelle Shocked oder Morrissey uns DJs niemals als Songschreiber akzeptieren werden.“

Als reine Techniker haben sich die Klang-Verwurster aber ohnehin nie gesehen: “ Wir verstehen uns als Cut-Creators, Scratchen, sampeln und mixen ist für uns im Prinzip das gleiche wie für Johnny Winter oder Jeff Healey das Gitarre spielen.“

Seit „Paid In Full“ sind die beiden als Produzenten heißbegehrt, „sogar Living Colour und INXS wollten von uns unbedingt einen Coldcut-Mix. Aber wir haben kein Interesse an Leuten, die uns engagieren, nur weil sie glauben, daß sie dann plötzlich total def sind.“